„Ja, ich bin behindert. Ja, ich kann trotzdem heiße Typen treffen“

Wenn Samantha Renke (29 Jahre alt) abends weg geht, hört sie oft Sätze wie „Wenn Du schon mal da unten bist, Süsse…“. Das liegt nicht nur daran dass sie nur etwa 1,20 Meter groß ist, sondern hauptsächlich daran, dass sie im Rollstuhl sitzt. Sie sagt sie kommt aus dem Norden und kann vieles aushalten, aber sie möchte trotzdem wie eine Dame behandelt werden.

Samantha hat die Glasknochenkrankheit, das heißt ihre Knochen brechen sehr leicht und sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Trotzdem hält sie das nicht davon ab, als Schauspielerin zu arbeiten oder für Wohltätigkeitsorganisationen zu arbeiten. Es heißt auch nicht, dass sie keine Dates und Verabredungen haben oder einen Freund haben kann – egal was die Leute um sie herum denken.

„Die Leute glauben ich könnte keinen Sex haben oder keine Beziehung führen“ erzählt Samantha. „Sie meinen weil ich eine Behinderung habe, bin ich auch geistig nicht ganz auf der Höhe. Manche denken ich trinke keinen Alkohol. – Manche sprechen mich einfach auf der Strasse an und fragen ob ich Sex haben kann. Ich würde niemals jemanden auf der Strasse ansprechen und fragen, was seine Lieblingsstellung beim Sex ist.“

Diese Erfahrungen bedeuten, dass Samantha die Ergebnisse einer neuen Umfrage (aus England) ganz gut nachvollziehen kann. Diese Umfrage hat ergeben, dass ungefähr die Hälfte der Briten noch nie ein Gespräch mit einem Menschen mit Behinderung angefangen hat. Nur 16% haben schon mal einen Menschen mit Behinderung zu sich nach Hause eingeladen, und 67% fühlen sich in der Gegenwart Behinderter komisch, das heißt sie werden panisch oder vermeiden den Kontakt gleich ganz.

Die Zahlen wirkten auf Samantha erst sehr schockierend, aber dann fiel ihr ein, dass sie auch erst mit 13 oder 14 das erste Mal bei einer Freundin zum Übernachten eingeladen war.

Die Umfrage wurde von der Organisation Scope in Auftrag gegeben. Sie ist Teil einer Kampagne mit dem Titel #EndTheAwkward (auf Deutsch etwa: Beendet die Peinlichkeit). Nur fünf Prozent der Menschen hatten jemals ein Date mit einem Menschen mit Behinderung. Obwohl es in England mindestens 9,4 Millionen Menschen mit Behinderung gibt, das sind etwa 18 Prozent  der Bevölkerung.

Jungs wollten mit mir nichts zu tun haben

Samantha findet das erstmal kein Problem, weil nicht jeder schon mal Kontakt zu Behinderten hatte. Aber wenn sich jemand nicht mit einem Mensch mit Behinderung treffen oder verabreden will weil er Vorurteile  hat oder Ignorant ist, und deshalb diese Person zurück weist, ist das schon was, wo man genauer hingucken sollte.

Die Ergebnisse der Umfrage sollen nicht dazu führen, dass Nichtbehinderte ein schlechtes Gewissen bekommen. Ignoranz führt nur zu mehr Ignoranz. Es geht darum Barrieren aufzubrechen!

Bei Samantha hat das dazu geführt, dass sie bisher nur Beziehungen zu Menschen hatte, mit denen sie vorher schon befreundet war, denn dort „waren die Barrieren schon gefallen“. Mit Fremden in einer Bar ist das viel schwieriger.

Als sie mit 18 anfing auszugehen, wurde sie eigentlich nie von Jungs angesprochen, die hatten davor Hemmungen. Sie hat auch schon Dates abgebrochen, wenn die andere Person gar nicht mit ihrer Behinderung umzugehen wußte, oder wenn die jeweilige Bar nicht barrierefrei war – einfach um Peinlichkeiten zu vermeiden.

Wir sind wie jeder andere, ok?

Gleichzeitig hatte sie schon erfüllende Partnerschaften wo die Vorurteile nur von außen kamen. Andere Menschen können sich oft nicht vorstellen, dass jemand der muskulös und attraktiv ist überhaupt mit mir zusammen sein möchte. Aber da geht es nur um deren eigene Unsicherheiten!

Samantha betont, dass der einzige Unterschied zu ihr und jemandem ohne Behinderung nur das äußere Erscheinungsbild ist. „Wir sind wie alle anderen. Wir wollen Dates haben und fühlen uns wahrscheinlich wohler in unserer Haut als viele andere Menschen.“

Worauf sie Wert legt ist, dass sie von ihrem Partner nicht abhängig in irgendeiner Form ist. „Ich habe sehr darum gekämpft unabhängig zu sein, ich möchte einen Partner und keinen Assistenten oder Pfleger. Wenn man eine Beziehung zu einem Behinderten hat, muss man dem nicht zwangsläufig bei allem helfen.“

„Es gibt Dinge, die Nichtbehindert erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Beziehung ansprechen, aber wo ich das Gefühl habe ich muss das schnell machen. Ich war immer schon ziemlich selbstbewusst und extrovertiert, aber es hat lang gedauert, bis ich mich mit meiner Behinderung wohlgefühlt habe.“

(Copyright: Telegraph Media Group Limited 2015)

Brigitte.de: „Ist sie deine Krankenschwester?“ „Nein, meine Freundin.“

Shane und Anna sind glücklich verliebt, aber keiner glaubt’s. Schön, dass Brigitte diesen Artikel bringt, auch die tollen Fotos.

Shane Burcaw leidet an Muskelschwund und sitzt im Rollstuhl. Wenn er mit der blonden Anna Reinalda unterwegs ist, hagelt es Kommentare.

An der Wortwahl muss Brigitte vielleicht noch etwas arbeiten, aber inhaltlich ist der Artikel sehr schön geworden und wir begrüßen die Aufnahme eines weiteren Artikels zum Thema Sexualität und Behinderung im Magazin sehr. Vor einigen Monaten hatte Brigitte schon über das Leben und die Arbeit einer Sexualbegleiterin berichtet.

Link zum vollständigen Artikel über Shane und Anna

 

Ignorieren wir die sexuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung?

„The Telegraph“, eine Zeitung aus England stellt die Frage, ob wir – also die Gesellschaft – die sexuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung ignorieren. Angeregt wurde dieses Thema durch ein neu erschienenes Buch „Supporting Disabled People with their Sexual Lives“. Das Buch richtet sich an Assistenten / Betreuer / Helfer von Menschen mit Behinderung und gibt Ratschläge, wie das Thema „Sexualität und Behinderung“ angesprochen und behandelt werden kann.

Das Buch deckt eine Reihe von Themen ab

Themen des Buches sind unter anderem der Umgang mit körperlichen Grenzen und limitierter Bewegungsfähigkeit oder die Angebote sexueller Assistenz und deren rechtliche Grundlagen (bezogen auf Großbritannien). Das Buch will mit Spaß und Genuss den Weg zum Erleben der eigenen Sexualität erleichtern. Es gibt praktische Tipps zum Thema Selbstbefriedigung, Zufriedenheit mit dem eigenen Körper, Partnersuche und Beziehung.

Das Buch möchte auch mit dem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen, dass Menschen mit Behinderung keine Sexualität erleben wollen und können. Dieses Thema wurde unter anderem 2013 im Kinofilm „The Sessions – Wenn Worte berühren“ aufgegriffen.

Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, der von Mark O’Brien aus Amerika. Er litt an Polio und war einer der ersten Menschen mit Behinderung, der über seine Erfahrung mit Sexualassistenz bzw. in seinem Fall mit einer Sexualtherapeutin in einem Buch berichtete.

SeS

„The Telegraph“ fragt die Autorin des oben genannten Buches, ob sich denn seit dem Tod von O’Brien im Jahr 1999 der Umgang mit dem Thema „Sexualität und Behinderung“ in unserer Gesellschaft geändert hätte. Die Autorin verneint das und sagt, dass in den 60er Jahren Sex mit Behinderten gar kein großes Thema gewesen wäre, sondern einfach eine von vielen Möglichkeiten, Sex zu haben. Heutzutage, so spricht sie weiter, ginge es mehr um darum, einen Partner oder Partnerin zu finden die erfolgreich ist, viel Geld hat und gut aussieht – offensichtlich, weil man andere Leute damit beeindrucken will. Deshalb also, ist die Einstellung heute vielleicht sogar „schlimmer“ als damals.

Gerade auch im Bereich der Menschen mit Lern- oder geistigen Behinderungen sind Angehörige und Institutionen häufig noch sehr übervorsichtig wenn es um das Thema „Sexualität“ geht. Deshalb, so schließt der Artikel, sei das Buch „Supporting Disabled People with their Sexual Lives“ doch wohl ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Puff inklusiv.

Am 10. Januar berichtete die Sendung „Menschen – das Magazin“ der Aktion Mensch über Sex mit Behinderung. Dabei wurde unter anderem ein Fotograf bei seiner Arbeit an einem Projekt begleitet, indem er einen Rollstuhlfahrer beim Besuch eines Bordells begleitet und fotografiert.

Der Bericht ist bunt und dennoch unaufgeregt. Er zeigt uns eine Facette behinderter Sexualität. Mir gefällt der Beitrag gerade wegen seines besonnen, nicht reißerischen Blicks auf ein Thema, was mit Skandalen verbunden ist.

https://www.youtube.com/watch?v=ycaGw8ao5FI

Politischer Wirbel…

Es war ja sehr ruhig hier in den letzten Wochen. Aber passiert ist vieles. Behinderung und Sexualität ist immer noch ein großes Tabu und dafür, dass ich darüber offen spreche, gibt es jetzt politische Konsequenzen und mein Amt als Behindertenbeauftragter der Stadt Koblenz steht auf dem Spiel. Ich werde mich aber nicht zurückhalten, denn dafür ist das Thema viel zu wichtig und ich weiß von vielen Menschen, wie wertvoll dieser Blog ist und wie viel er Mut macht.

Über die Geschehnisse selbst möchte ich gar nicht viele eigene Worte verlieren, die Presse hat ja ausgiebig berichtet. Stattdessen möchte ich hier die wichtigsten Artikel zum Thema verlinken.

Die Berichterstattung ist meist objektiv und vernünftig mit dem Thema umgegangen, vor allen Dingen der lange Artikel im Karthäuser war meines Erachtens erstklassig recherchiert. Witzig finde ich ja auch, dass die Bild hier von „Geständnissen“ spricht – meines Wissens nach ist ein Geständnis aber nur bei einer Straftat notwendig, oder im übertragenen Sinne bei Sachverhalten, für die man sich schämt oder schämen müsste. Aber für ein normales Sexualleben schäme ich mich doch nicht. 🙂

So wie du bist

Die Sexualpädagogin Alina Mertens hat auf Zeit Online einen Leserartikel veröffentlicht, in dem sie sich mit dem Thema Sexualität und Behinderung beschäftigt. Sie sagt, sie ist oft die offen mit dem behinderten Menschen über Liebe und Partnerschaft spricht:

Ich bin studierte Sexualpädagogin und arbeite zum Thema Sexualität und Behinderung. Ich gebe zum Beispiel Seminare zu diesem Thema, sowohl für Menschen mit Behinderungen als auch für deren Angehörige und Mitarbeiter der Behindertenhilfe. Ja, es ist eine sehr spezielle Arbeit, aber ich habe darin meine Berufung gefunden.

Link zum vollständigen Artikel: http://www.zeit.de/community/2014-11/sexualitaet-liebe-behinderung-homosexualitaet

Verheiratet mit einem Rollstuhlfahrer? Eltern sein mit Behinderung? Das alles und noch viel mehr…

„Easy Stand“ heißt ein Blog aus Amerika, der sich diversen Themen rund um das Leben mit Behinderung widmet. Eine ganze Reihe an „Bloggern“, also Menschen, die Beiträge für die Seite schreiben, sowie einige Gast-Blogger berichten über ihre Erfahrungen und ihr Leben. Wer sich hinter diesen Autoren verbirgt, findet man hier.

„Easy Stand“ ist übrigens der Name einer Stehhilfe, die von einem C6/C7-Tetraplegiker erfunden wurde. Der Blog ist auf Englisch verfasst, aber wir wollen versuchen, hier einen kurzen Überblick über die Inhalte zu geben.

Elternschaft, Medizinisches, Leben im Rollstuhl….

Die Themen des Blogs sind sehr vielfältig. Sie reichen von Geschichten aus dem Alltag bis hin zur Elternschaft und behandeln dabei unterschiedliche Behinderungen und Diagnosen, von Cerebralparese über Querschnittslähmung und Multipler Sklerose bis zu Muskeldystrophie und noch einigen mehr.

Die Blogbeiträge sind schön zu lesen und beschreiben meistens die subjektiven Geschichten und Eindrücke der jeweiligen Blogger. Es gibt auch einige Videos und Podcasts.

Beziehungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung

Diese Überschrift löst bei einigen unserer Leserinnen und Lesern sicherlich gleich Protest aus. Wir wollen damit natürlich nicht andeuten, dass es solche Beziehungen nicht geben kann oder soll – ganz im Gegenteil! Aber im Blog von Easy Stand berichten eben auch diese Paare von Ihren Erlebnissen und aus ihrem Alltag. Nichtbehinderte Partnerinnen und Partner erleben häufig die seltsamsten Reaktionen ihrer Umwelt, nicht nur von „Fremden“, auch von Familienangehörigen und Freunden. Und sie erleben die (all)tägliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderung hautnah, was sicher für die meisten Nichtbehinderten erstmal eine neue und sehr eindrückliche Erfahrung ist.

Mehr dazu vielleicht einmal in einem eigenen Beitrag auf unserer Seite hier. Jetzt aber erstmal viel Spaß beim Lesen im Blog „Easy Stand“.

 

 

Wir stellen vor – zwei Projekte aus England!

So, heute wollen wir Euch gleich zwei neue Projekte vorstellen, wieder mal leider nicht aus Deutschland, sondern aus England.

Scope – Gleiche Chancen und Möglichkeiten für alle

Das eine heißt Scope und setzt sich generell dafür ein, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Möglichkeiten haben wie alle anderen. Hier geht es also nicht direkt um Sexualität, aber manchmal auch doch, zum Beispiel in Gastbeiträgen, in denen das Thema behandelt wird. Insgesamt lohnt sich auf jeden Fall ein kurzer Blick auf die Seite, vor allem auch für die, die sich gerne „politisch“ engagieren und für gleiche Rechte kämpfen.

„Love lounge“ – Frag den „(S)Experten“

Die „Love lounge“  ist ein online Forum, in welchem zwei „(S)Experten“ diverse Anliegen und Fragen zum Thema Sexualität und Behinderung beantworten. Viele beispielhafte Fragen und die dazugehörigen Antworten sind online lesbar, so dass sich auch der eine oder die andere darin wiederfinden kann und dadurch vielleicht manche Sorge oder Unsicherheit gemildert wird.

Auch Angehörige, Partner und Freunde von Menschen mit Behinderungen dürfen gerne Fragen stellen und sich Rat holen. Einige Beispiele für Fragen in der Vergangenheit waren z.B. „Wie kann ich meinen Körper besser akzeptieren?“ oder „Ich würde gerne jemanden kennenlernen. Wie und wann soll ich meine Behinderung erwähnen?“ etc.

Die „Love lounge“ ist angebunden an ein Projekt welches sich „Enhance the UK“ nennt, was soviel heißt wie „England verbessern“. Es ist ein gemeinnütziges Projekt, und will die gesellschaftliche Wahrnehmung von Behinderung verändern. Das Projekt bietet unter anderem Trainings für Organisationen und Schulen, um das Miteinander zu erleichtern und auf beiden Seiten Barrieren abzubauen. Für mehr Informationen einfach mal drauf klicken!

Senia – Interessantes Projekt aus Österreich!

An dieser Stelle möchten wir Euch den Verein „Senia“ aus Österreich vorstellen, der sich ebenfalls mit dem Thema Behinderung und Sexualität befasst. Der Verein hat sich die „Enthinderung der Sexualität“ für Menschen mit Beeinträchtigungen auf die Fahne geschrieben.

Die Angebote richten sich an Menschen mit Beeinträchtigungen, an Angehörige, aber auch an Personen, die in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung arbeiten.

Mehr über die Grundsätze und Ziele finden Sie hier.

Die Vernetzung mit anderen liegt uns sehr am Herzen. Gerne berichten wir hier über weitere Projekte und Initiativen und freuen uns über feedback.

Interview in der TAZ: „Ich habe kein Problem damit, als Fetisch betrachtet zu werden“

Anfang dieses Jahres hat mich Manuela Heims, eine mir bekannte Redakteurin  gefragt, ob ich bereit zu einem Interview sei, das über Sexualität und Behinderung berichten soll. Im Mai  haben wir uns daran getroffen und am Wochenende war es  soweit: das Interview erschien  in der TAZ-Wochenendausgabe.

Christian Bayerlein hat spinale Muskelatrophie, braucht rund um die Uhr Hilfe, nennt sich Nerd, liebt „Star Trek“, reist gern und erforscht die Spielarten des Sex. Monogamie, Polyamorie, BDSM – er ist offen

Link zum Beitrag:  http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ln&dig=2014%2F10%2F18%2Fa0012&cHash=3357e12a31a456ccfcec8aa6f64aa83d