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Doppelbett mit Liebesbrücke

In autobiographischen Buch schreibt Aline Engels (*) über ihre Beziehung zu einem Mann mit Behinderung. Meine Freundin und ich haben es gelesen und haben uns an einigen Stellen wiedererkannt. Das Buch ist amüsant und interessant und man bekommt schnell einen Bezug zur Lebenswelt der Protagonisten. Auch die üblichen Probleme in einer solchen Konstellation sind gut dargestellt. Wem allerdings das Genre „Liebesroman“ absolut nicht zusagt, der wird sich auch mit dieser Geschichte nicht 100 % anfreunden können, am Ende ist es halt eine Liebesgeschichte, auch wenn die Umstände für Romane neu sind. Ich finde aber, das ist auch gut so, denn es zeigt die Normalität von Beziehung, auch wenn ein Partner behindert ist.

Ich hatte die Gelegenheit Aline Engels und ihren Mann Tim Erdmann zu ihrem Buch zu interviewen.

Aline, du schreibst in deinem Buch „Doppelbett mit Liebesbrücke“ über deine Beziehung zu einem behinderten Mann. Sag doch mal kurz in eigenen Worten, warum es in dem Buch genau geht.

Das Buch ist eine Biografie. Es geht um das Kennenlernen, Liebenlernen, die Beziehung zu meinem schwerbehinderten Mann, der rund um die Uhr auf Assistenz angewiesen ist, und die Besonderheiten in unserem gemeinsamen Leben mit Assistenz. Klicken Sie auf den Link, um weitere Informationen zu diesem zu entdecken.

Wie bist du denn auf die Idee gekommen, ein solches Buch zu schreiben? Was war deine Motivation und wen möchtest du damit erreichen?

Die Liebe zu meinem Mann ist wie eine Naturgewalt. Ich bin ein nüchtern denkender Mensch, der sein Leben komplett durchgeplant und durchstrukturiert hat. Und auf einmal hat dieser Mann mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Als nicht-behinderte Frau hatte ich eine Menge Fragen, die mir kein Wikipedia oder Google beantworten konnte. Ich wusste auch nicht, wen ich hätte fragen können.

Mir hat die Beziehung von Fridl und Franzi Mut gemacht. Auf Fridls Homepage fand ich ein paar Antworten auf meine Fragen. Die Filme von den beiden machten mir Mut. Ich war dennoch sehr unsicher und hatte große Ängste.

Die Beziehung zu meinem Mann ist für mich so wahnsinnig bereichernd, dass ich mir dachte, dass es auch für andere möglich sein muss. Und wenn sich wieder ein Nicht-Behinderter in einen schwerbehinderten Partner verlieben sollte, so soll mein Buch und unsere Geschichte einfach Mut machen, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.

Mir ist aufgefallen, dass eigentlich alle in deinem Umfeld, die du im Buch beschreibst sehr positiv auf eure Beziehung reagiert haben. Gab es auch negative Stimmen? Wenn ja, wie seid Ihr damit umgegangen?

Es gab wirklich ausschließlich positive Reaktionen in unserem Bekannten- und Freundesumfeld. Einige in meinem Bekanntenkreis reagierten erst etwas unsicher, aber Tim konnte immer sofort diese Unsicherheit nehmen. Er ist ein sehr offener Mensch, der seine Behinderung zu 100 Prozent akzeptiert hat. Das macht es für andere leicht im Umgang mit ihm.

Ein Assistent von Tim hat zuerst sehr unsicher und eher zurückhaltend auf unsere Beziehung reagiert. Das war unseres Erachtens aber eher aus dem Gefühl des Machtverlustes heraus. Im Kapitel Supervision gehe ich näher darauf ein. Tim konnte auch nicht mit ihm darüber sprechen, weil er immer behauptete, es gäbe kein Problem.

Einmal saßen wir in einer Strandbar an der Nordsee und ich küsste Tim, so wie immer. Tim sagte mir später, dass das Pärchen am Nachbartisch komisch geguckt hätte. Mir ist es nicht aufgefallen, wahrscheinlich fehlt mir dafür einfach der Wahrnehmungsfilter. Mich interessieren fremde Leute nicht; unsere Freunde und Bekannte haben einfach super offen reagiert. Es ist auch das einzige Mal gewesen, dass Leute komisch geguckt haben.

Meine Eltern haben eher distanziert auf die neue Beziehung von mir reagiert, das hatte aber nichts mit Tims Behinderung zu tun (von der wussten sie ja lange nichts), sondern einfach aus Sorge um mich. Ich bin als junger Mensch sehr übel auf einen Mann hereingefallen und diese Sorge haben meine Eltern halt immer noch, dass mir das nochmal passieren könnte.

Manche Leute, die uns nicht näher kennen, könnten ja der Meinung sein, dass sich nur Nicht-Behinderte mit Helferkomplex auf einen schwerbehinderten Menschen einlassen können. Aber wer Tim und mich kennt, der weiß, dass dieser Gedanke bei uns völlig absurd ist. Ich habe keinen Helferkomplex (bzw. mein kleiner Helferkomplex ist sehr gut reflektiert) und Tim hätte sich niemals auf eine Partnerin mit Helferkomplex eingelassen.

Tim, es hat ja ziemlich lange dauert, bis ihr zusammen wart. Aline meint zumindest, dass du sie lange hast zappen lassen. Als Grund schreibt Aline von einer Mauer, in die du zum Selbstschutz um dich herum errichtet hast. Oftmalige Enttäuschung kennen viele behinderte Menschen und oft ist auch das Selbstbewusstsein nicht besonders stark. Was würdest du anderen behinderten Menschen raten, nachdem du die Erfahrung mit Aline machen konntest?

Sicherlich tut jeder Korb, den man bekommt, sehr weh, aber die Chance nicht wahrzunehmen, den – aus meiner Sicht – einzigen Menschen zu finden, welcher perfekt zu einem passt, wäre die größte Dummheit des Lebens. Eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht, ob die Beziehung hält und ob es wirklich der richtige Partner sein wird. Ich kann nur jedem Menschen mit Behinderung raten, auf sein Bauchgefühl zu hören, wenn die Schmetterlinge fröhlich flattern und man es wirklich ernst meint, sich auf das „Abenteuer Liebe“ einzulassen! Es ist ein unbeschreibliches Glück in einer bedingungslosen und gleichberechtigten Partnerschaft leben zu können und rechtfertigt auch das Risiko eines sicherlich schmerzhaften Scheiterns! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Habt den Mut Wege zu beschreiten, welche Ihr nie gehen wolltet, weil Ihr Angst habt vor der Ungewissheit und der Enttäuschung. Ehrliche Liebe, Vertrauen und Zuversicht machen es einem leicht, diese Ängste zu überwinden!

In deinem Buch gibt es einige Menschen, die neben euch beiden eine Rolle spielen, zum Beispiel Tims Assistenten. Was halten die davon? Erkennen sie sich wieder? Gab es Bedenken?

Tims Assistenten haben – bis auf einen – alle positiv reagiert. Sie haben sich ehrlich für uns gefreut. Kleine Irritationen traten eher unbewusst auf. Siehe Kapitel Supervision. Unterschwellig hatten einige wohl Angst um ihren Job, Tim hat sie nicht mehr in seine kleinen Geheimnisse eingeweiht. Er hat sich dann auch mehr abgegrenzt. Zu manchen Assistenten war das Verhältnis vorher vielleicht zu eng – nun ist es gesund distanziert.

Die Assistenten wissen übrigens noch nichts von dem Buch. Bin gespannt, wann es der erste herausfindet 😉 Ich tippe auf Robin.

Es haben inzwischen einige Assistentenwechsel stattgefunden. Von den „alten Vor-Aline-Assistenten“ gibt es leider nur noch zwei im Team. Die anderen sind aus verschiedensten Gründen ausgeschieden: Krankheit, Studium fertig, berufliche Veränderung usw.  Das ist ein Job, den man wahrscheinlich nicht bis ins hohe Alter machen kann.

Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Assistenten, auch zu den Ex-Assis, bis eben auf den einen Ex-Assi, der von Anfang an ein Problem damit hatte, dass eine Frau in Tims Leben kam.

Das Buch endet kurz nach eurer Hochzeit. Erzähl doch mal noch ein bisschen, was es seitdem neues gibt, welche Ereignisse sich seitdem noch ergeben haben.

Nach der Hochzeit habe ich versucht, mein Eheversprechen einzuhalten und weniger zu arbeiten. (Es ist mir noch nicht so ganz gelungen)

Ich habe daher meine Firmen so umstrukturiert, dass sie nach Möglichkeit auch ohne mich funktionieren.

Auch Tim möchte nicht sein Leben lang arbeiten müssen. Er wird zwar sein Leben lang Chef sein, aber so organisatorische und administrative Abläufe haben wir in einen Verein ausgelagert. Die Dienstpläne, die Stundenzettel, die Über- und Unterstundenberechnung oder Urlaubsberechnung macht nun das Sekretariat des Vereins für ihn.

Da es in unseren Firmen allerdings sehr „menschelt“, wird es wahrscheinlich nicht möglich sein, sich völlig aus dem Tagesgeschäft herauszuziehen. Wir planen die Einstellung eines Geschäftsführers, der unsere Aufgaben übernehmen kann, aber dafür die richtige Person mit dem richtigen Hintergrundwissen zu finden, ist schwierig.

Wir machen regelmäßig, ungefähr zweimal im Jahr, Urlaub. Wie im Buch beschrieben, fahren wir einmal nach Italien, Nähe Venedig, und einmal an die Ostsee.

Fridls plötzlicher Tod hat uns sehr getroffen und er fehlt uns total. Die Freundschaft zu Fridl und Franzi war sehr intensiv und wir hatten so viele Gemeinsamkeiten. Es tut uns weh, zu sehen, wie sehr Franzi immer noch leidet und trauert. Die „Münchener Truppe“ und unsere gemeinsamen Urlaube in Italien sind nicht mehr so wie früher. Fridl fehlt ganz einfach. Ich finde es schade, dass er das Buch nicht mehr lesen konnte. Er starb, als der Roh-Entwurf fertig war.

Ich glaube und hoffe, es hätte ihm gefallen. Ich hatte ihn bei einem unserer letzten Chats noch nach kreativen Schimpfwörtern für Tim gefragt und fast alle sind in dem Buch verarbeitet. Es tröstet uns, dass Fridl so intensiv gelebt hat und glücklich und ohne Schmerzen einfach eingeschlafen ist.

In der Zeit, in der das Buch spielt, seid Ihr wirklich sehr verliebt ineinander. Mir persönlich ist das Buch deswegen vielleicht ein bisschen zu rosarot. Gab es auch Momente des Frusts oder Streit und wie geht ihr damit um?

Wie bereits oben erwähnt, bin ich ein nüchtern denkender Mensch, der gerne plant und organisiert. Dass ich ein so gefühlsbetontes Buch überhaupt schreiben konnte, verwundert daher so manchen eingeweihten Bekannten, der das Buch gelesen hat. Wir sind nach wie vor genauso verliebt ineinander und zeigen es auch. Uns ist das auch nicht peinlich, sondern es ist eben genau so, wie wir es fühlen. Die Assistenten ziehen uns heute noch auf, dass wir uns wie verliebte Teenager verhalten.

Und was heißt schon „zu rosarot“? Ein Leser hat geschrieben, es wäre ihm an der einen oder anderen Stelle zu schnulzig. Mag sein, ich bin halt Tims größter Fan und komme leicht ins Schwärmen, wenn ich über ihn schreibe. Es ist eben eine Biografie, die Szenen sind echt und ich habe es eben genau so empfunden. Tim sagt selbst manchmal, ich hätte eine rosarote Brille auf, aber ich finde, wenn man einen Menschen so sehr liebt, dann darf das auch so sein.

Tim fragt zum Beispiel: „Wie sehe ich aus? Muss ich mich rasieren oder umziehen?“ Und ich singe: „Du siehst suuuuper aus!“ Strahle ihn an und tanze um ihn herum. Er verdreht dann gespielt übertrieben die Augen und fragt lieber seinen Assistenten um Rat. 😀

Frust und Streit gab es niemals zwischen uns, wir harmonieren total. Meinungsverschiedenheiten kommen vor, sind aber selten. Wir sprechen darüber, aber wir müssen ja nicht zwingend immer einer Meinung sein. Wir haben auch einen ähnlichen Humor. Es ist eine in jeder Hinsicht sehr erwachsene und harmonische Beziehung.

Du schreibst, eines der größten Hindernisse für die Liebe ist die deutsche Gesetzgebung in Bezug auf Assistenz. Was würdet ihr euch in dieser Richtung wünschen?

Natürlich wünschen wir uns, dass die Teilhabeleistungen (Assistenzleistungen für Tim) nicht an die Sozialhilfe gekoppelt sind und bald einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werden. Tim behauptet jedoch, das dauert bestimmt noch 20 Jahre. Das hätte damals mit dem Arbeitgebermodell genauso lange gedauert.

So bleibt uns, wie vielen anderen auch, keine andere Möglichkeit, als mit der Situation zu leben und irgendwie das Beste daraus zu machen. Wir sind in dieser Hinsicht auch sehr kreativ, beraten auch andere Paare in ähnlicher Situation, aber es ist ein blödes Gefühl, immer tricksen und aufpassen zu müssen.

Tim und ich, wir werden nicht vor Gericht oder in der Öffentlichkeit für eine Änderung der Gesetzgebung kämpfen, aber wir sind froh und dankbar, dass es andere tun. Tim hatte seine Zeit, in der er behindertenpolitisch sehr aktiv war; jetzt möchte er einfach nicht mehr kämpfen. Wir wollen jetzt die Zeit miteinander genießen.

Vielen Dank euch Beiden für das Interview und noch ganz viel Romantik und gemeinsame, schöne Erlebnisse!

Das Buch „Doppelbett mit Liebesbrücke“ gibt es im Buchhandel oder bei Amazon als Kindle-Edition.

(*) Alle Namen und Orte, die im Buch vorkommen, sind geändert.

Kampagne „Yo me masturbo“ („Ich masturbiere“)

Ohne Unterstützung gehört mein Körper nicht mir. Sexuelle Hilfe ist ein Recht.

Viele Menschen mit Behinderungen brauchen die Hilfe einer anderen Person, persönliche Assistenz, bei der Erledigung vonrtäglichen Aktivitäten (Hygiene, Aufstehen, zu Bett gehen …). Wenn der Bereich der Sexualität betroffen ist, spricht man von sexuller Assistenz. Über beides bestimmt die unterstützte Person selbst und beides ist ein Grundrecht.

Die Kampagne zeigt sexuelle Assistenz für Menschen mit Behinderungen als Unterstützung für den sexuellen Zugang zum eigenen Körper. Dieser Zugang ermöglicht es, zu erforschen, zu masturbieren oder Sex mit anderen Menschen, die nicht sexuelle Assistent sind, zu haben. Es gibt zwei 40-Sekunden-Videos mit dem Titel „Yo me masturbo“ („Ich masturbiere“).

In den beiden Videos werden Menschen gezeigt, die sich offen dazu bekennen, zu mastubieren, weil sie dadurch zum Beispiel ein besseres Körpergefühl oder mehr Lebensfreude erhalten. Als Kontrast dazu sagt ein behinderter Mensch jeweils am Ende des Films, dass er nicht mastubiert, weil er beziehungsweise sie das ohne Hilfe nicht kann.

Die Kampagne soll sowohl auf den neuen Film “Vivir y otras ficciones” („Leben und andere Fiktionen) des spanischen Filmemachers Jo Sol aufmerksam machen. Dieser ist gerade in Produktion und soll 2016 erscheinen. Eines der Themen des Films ist sexuelle Assistenz.

Ja, Menschen mit Behinderung haben Sex…und vielleicht sollten wir drüber sprechen

Die britische Nachrichtenagentur BBC ist schon lange sehr aktiv in der Berichterstattung rund um das Thema „Behinderung“. Es gibt eine eigene Radioshow mit Podcast zum Download und einem Blog unter dem Titel „Ouch BBC“. Kürzlich gab es einen Bericht zum Thema Sex und Menschen mit Behinderung, den wir hier kurz auf Deutsch zusammenfassen werden. Allen, die der englischen Sprache halbwegs mächtig sind, empfehlen wir alles rund um „Ouch“ – wirklich gut gemacht, von Menschen mit Behinderung – witzig und informativ zugleich!

Ja…Menschen mit Behinderung haben Sex

Darin berichtet unter anderem der 19-jährige Jack über seine Erfahrungen. Er hat eine Hemiplegie, also eine halbseitige Lähmung. Wenn er in Online-Portalen Menschen kennenlernt und seine Behinderung erwähnt brechen einige den Kontakt zu ihm ab, manchmal sogar mit negativen Kommentaren wie „das ist ja eklig“. Er kann darüber meistens lachen, denn, so sagt er selbst: „Ich habe mir eine dicke Haut zugelegt – so bin ich.“

Die 24-jährige Holly (Cerebralparese und Sklerose) sucht ebenfalls nach einem Partner in Online-Börsen. Sie macht die Erfahrung, dass ganz viele Menschen sie nach ihrem Sexleben fragen, oder einfach annehmen, sie wäre sowieso Jungfrau. Von den Menschen die sie kennenlernt behandeln manche ihre Behinderung als Tabu und vermeiden das Thema, nur wenige sprechen mit ihr wie mit einer ganz „normalen“ Person. Viele Menschen machen sich Sorgen, sie könnten Holly beim Sex verletzen oder ihr weh tun, aber das ist nicht der Fall. „Du kannst auch mit Behinderung ganz normal Sex haben“, sagt sie.

Neue Kampagne „End the awkward“ – „Beende die Unsicherheit“

Neue Forschungsergebnisse des Projekts „Scope“ zeigen, dass nur etwa einer von zehn Nichtbehinderten schon einmal ein Date oder eine Beziehung mit einem Menschen mit Behinderung hatte. In ihrem neuen Projekt „End the awkward“ (das heißt soviel wie: Beende die Unsicherheit) versuchen Sie Nichtbehinderten den Umgang mit Menschen mit Behinderung zu erleichtern.

Aber kommen wir nochmal zurück zu Jack. Er hat gerade eine neue Beziehung begonnen und sagt, er fühle sich sehr selbstbewusst und hat keine Probleme, Leute anzusprechen wenn er ausgeht. Seine jetzige Freundin hat er ebenfalls beim Ausgehen kennengelernt. Obwohl der Großteil seiner Erfahrungen positiv ist, hat er auch schon viele negative Kommentare und Bemerkungen hören müssen.

Die Kampagne „End the awkward“ versucht, Nichtbehinderte offener zu machen, auf Menschen mit Behinderung zuzugehen. Ihre Befragung von etwa 2.000 Personen hatte ergeben, dass mehr als die Hälfte der 18- bis 35-Jährigen noch nie ein Gespräch mit einem Menschen mit Behinderung angefangen haben. Drei Viertel der Befragten haben noch nie einen Behinderten zu einem gesellschaftlichen Anlass eingeladen.

Jack sagt, er geht gerne aus. Aber Holly macht eher frustrierende Erfahrungen: „Wenn Du in Clubs und Bars gehst, versuchen die Leute entweder, dich mit ihren behinderten Freunden zu verkuppeln, oder sie sind betrunken und wollen einmal mit dir schlafen, damit sich dich von ihrer Liste streichen können. Auch wenn es frustrierend ist, du musst einfach weitermachen, weiter suchen, oder? Da draussen gibt es für jeden jemanden!“

(Quelle: BBC newsbeat, Amelia Butterly, 5.Oktober 2015)

 

 

Liebe mit Laufmaschen

Jennifer Sonntag ist blinde Sozialpädagogin, Autorin und Moderatorin der „SonntagsFragen“ im MDR-Fernsehen.Sie beschäftigt sich seit Jahren in meiner Arbeit und meinen Büchern mit der Erotikwahrnehmung blinder Menschen/frauen und bemüht sich, dieses „Doppeltabu“ zu brechen. Jetzt stellt sie ihr neues Projekt vor.

Sie hat mit ihrem sehenden Partner gemeinsam das Literatur- und Kunstprojekt „Liebe mit Laufmaschen“ ins Leben gerufen. Die Laufmasche kann dabei durchaus als verstecktes Symbol für Behinderung verstanden werden, sie stellt aber auch immer eine Inspiration dar, denn das vermeintlich „unperfekte“ macht für uns einen Menschen erst erotisch interessant. In ihrem gleichnamigen Buch, eine Sammlung erotischer Kurzgeschichten, hat jeder Protagonist so eine „Laufmasche“, eine Besonderheit im Leben, einen Fetisch, einen inspirierenden Fehler. Dabei stellen wir in ihrem Buch keine Behinderungen vor, es ist also kein Buch über Behinderungen, aber Jennifer Sonntag meint: „Ich habe eben als Blinde, als Autorin mit kleiner Laufmasche, aus meinem Kopfkino heraus geschrieben und somit eröffnet es wieder eine ganz andere Sichtweise. Ich wünsche mir, dass Frauen mit Behinderung als sinnliche Menschen wahrgenommen werden, die erotisch denken, schreiben, handeln und vielleicht sogar nicht behinderte Leser inspirieren.“

In der „Blind-Galerie“ auf der Seite www.Liebe-mit-Laufmaschen.de finden Sie auch die barrierefreien erotischen Zeichnungen, die Jünnifer Sonntag mit ihrem Partner entwickelt hat. Auch hier möchte sie zeigen, dass „blinde Flächen“ viel Raum für Fantasie bieten und man aus seinem Kopf heraus durchaus auch im erotischen Sinne kreativ werden kann.

Links:

Raul Krauthausen über Sexualität und Behinderung auf Youtube

Der Aktivist und Sozialheld hat für den Youtube-Kanal zqnce (gesprochen Sequence) ein Interview zum Thema Sexualität und Behinderungen geben. In der Beschreibung des Videos ist zu lesen:

Im Jahr 2013 erhielt Raul Aguayo-Krauthausen das Bundesverdienstkreuz am Bande für die Gründung des gemeinnützigen Vereins Sozialhelden e.V., der Menschen für gesellschaftliche Probleme sensibilisieren und zum Umdenken bewegen will und bereits zahlreiche soziale Projekte realisiert hat.
Unter dem Titel „Dachdecker wollte ich eh nicht werden – Das Leben aus der Rollstuhlperspektive“ veröffentlichte er im Januar 2014 seine Biographie.

Im Gespräch mit zqnce gibt er persönliche Einblicke in die Themen Sexualität & Behinderung in der Gesellschaft, die Angst vor dem 1. Mal u.v.m.

Sueddeutsche.de: „Beziehungen – eine ganz andere Lust“

Die Süddeutsche widmete sich heute (6. Juni 2015) in ihrer Wochenendausgabe dem Thema Sexualität und Behinderung. Dabei lag der Focus mal nicht wie üblich auf dem Klassiker „Sexualassistenz“, sondern der Autor widmete sich vor allem dem Thema Behinderung als Fetisch. Dazu hatte ich zu Beginn des Jahres ein sehr schönes Gespräch mit ihm. Entsprechend komme ich auch im Artikel vor. Daneben wurde auch Ilse Martin interviewt, die sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigt. Außerdem kommt ein Paar zu Wort, bei dem sie amputiert ist und er ein so genannter „Devotee“. Alles in allem ein sehr schöner Beitrag, der sich mal aus dem Einheitsbrei der deutschen Medien hervortut.

Im Teaser des Beitrags heißt es:

Ihnen fehlt eine Hand oder ein Bein. Darf man Menschen mit Behinderung trotzdem erotisch finden? Wir haben Menschen getroffen, die genau so leben und lieben – und sich deshalb manchmal fragen: Sind wir normal?

Link zum Beitrag auf Sueddeutsche.de: „Beziehungen – eine ganz andere Lust“

SPON: „Sexualität von Behinderten: Doras Erwachen“

Spiegel Online berichtet über den Film „Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“.

Im Film geht es um die 18-jährige Dora, die von Victoria Schulz gespielt wird. Dora ist ein lebenslustiges, aufgewecktes, geistig behindertes Mädchen. Seit ihre Mutter Kristin (Jenny Schily) hinter dem Rücken von Doras Vater Felix (Urs Jucker) beschlossen hat, die Medikamente abzusetzen, die die junge Frau ruhiggestellt haben, blüht Dora richtig auf, vor allem ihre Sexualität hat sie neuerdings entdeckt. Als sie den zwielichtigen Peter (Lars Eidinger) auf einem Markt erblickt, gefällt dieser ihr auf Anhieb und es dauert nicht lange, bis die beiden miteinander schlafen – ganz zum Missfallen der Mutter, die ohnehin frustriert ist, weil ihr Wunsch nach einem weiteren Kind bisher nicht erfüllt wurde. Doch Dora trifft sich trotz eines Kontaktverbots weiterhin mit Peter. Schon bald wird sie ungeplant schwanger und als ihre Eltern von der Schwangerschaft erfahren, droht die Familie zu zerbrechen…

Eva Thöne, die Autorin bei Spiegel Online schreibt in Rezension: „Vergewaltigung oder einvernehmlicher Geschlechtsakt? Das Erotikdrama ‚Dora‘ über eine geistig Behinderte, die ihre Sexualität entdeckt, hinterfragt klug unsere Vorstellungen von Selbstbestimmung.“ Weiter lobt sie: „Die moralische Sprachlosigkeit in dieser Sequenz steht beispielhaft für alles, was der großartige Film „Dora“ ist. Regisseurin Stina Werenfels, die ein Theaterstück von Lukas Bärfuss verfilmt hat, wirft 90 Minuten lang die Fragen auf, wann Selbstbestimmung anfängt, wem sie gestattet wird und was die Folgen sind, wenn jemand sie so konsequent beansprucht wie Dora.“

Link zum Artikel bei SPON: „Sexualität von Behinderten: Doras Erwachen“

Pornographische Werbung zu wohltätigen Zwecken und Sex mit Behinderung??? Hä?

Also nochmal langsam: Asta Philpot kennen einige von Euch schon, da wir über ihn und seine Projekte auch hier schon berichtet haben, z.B. über den Film „Hasta la vista“. Jetzt hat Asta ein weiteres Projekt namens „Come4“. Auf der Seite ist erstmal ausser eines Trailers nicht viel zu sehen, man muss sich mit seiner Email-Adresse anmelden um mehr zu erfahren.

Pornographie für wohltätige Zwecke

Die Seite produziert bzw. verkauft von Nutzern produzierte Pornographie um wohltätige Zwecke zu unterstützen. Und wohltätige Zwecke bedeutet in diesem Fall: Sexualität für Menschen mit Behinderung zugänglich zu machen, bzw. zu ermöglichen.

Der erste Clip unterstützt die Asta Philpot Foundation, die das Thema „Behinderung und Sexualität“ in die Öffentlichkeit bringt und sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung in Bezug auf deren Sexualität einsetzt. Der Clip zeigt Männer und Frauen, mal mehr mal weniger bekleidet, teilweise in Bordellen, während die Stimme von Asta Philpot seine Erfahrung mit Sexualität, speziell mit bezahlter Sexualität – also Prostitution – beschreibt.

Gegen Ende sieht man Asta Philpot selbst im Bild, in seinem elektrischen Rollstuhl. Und er sagt: „Wenn Sie mich oder meine Phantasien nicht mögen, oder denken ich hätte nicht das Recht dazu….können Sie meinen A… küssen“. Danach erfährt man noch kurze Informationen über Asta Philpot und sein Engagement für die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Der Clip hat international, z.B. auf Werbemessen und sogar in Cannes für Aufsehen gesorgt.

 

Was sollte ich beim Date mit einer Rollstuhlfahrerin vermeiden?

Tipps für das erste Date mit einer Rollstuhlfahrerin“ ist nur eins von vielen Themen, über die Anastasia Umrik in Ihrem Blog schreibt. Viele kennen Sie sicher schon von einem ihrer zahlreichen Projekte wie z.B. anderStark oder inkluWAS. Wer sie noch nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen – schaut doch einfach mal vorbei, zum Beispiel auf ihrem Blog anastasia-umrik.de .

Inklusion, Fashion, Lifestyle und Reisen sind einige der Themen die im Blog behandelt werden. Und ganz aktuell geht es eben um Tipps, was man beim Date mit einer Rollstuhlfahrerin vermeiden sollte. „Wie machst Du Sex?“ ist dabei nur eine von vielen Fragen, die vielleicht erstmal nicht den Einstieg bilden sollten. Neugierig auf mehr? Dann schaut doch mal nach, was Anastasia so zu berichten hat und surft auf ihren Blog – witzige und pointierte Beobachtungen sind Euch sicher!

 

 

 

Kurzfilm „Nimm mich“ auf ARTE

In der Sendung KurzSchluss von ARTE, in der internationale Kurzfilme gezeigt werden, geht es diese Woche um Menschen mit ‪‎Behinderung‬. Ab heute seht ihr den kanadischen Kurzfilm „Nimm mich“ von Anaïs Barbeau-Lavalette und André Turpin.

Seit kurzer Zeit arbeitet Mani als Pfleger in einem Behindertenheim. Dort kümmert er sich um die Bedürfnisse der Bewohner wie etwa die tägliche Körperpflege. Es gehört aber auch zu seinen Aufgaben, die Bewohner im sogenannten „Intimitätszimmer“ zu betreuen, in dem sie Sex haben können. Die Situation und die ihm auferlegten Aufgaben sind ihm mehr als unangenehm, und er bittet um ein Gespräch mit seiner Vorgesetzten…

Während ihrer Recherchen zu einem anderen Filmprojekt stießen die Filmemacher Anaïs Barbeau-Lavalette und André Turpin auf das Pilotprojekt einer Langzeit-Betreuungseinrichtung für Behinderte. Im sogenannten „Intimitätszimmer“ können die Bewohner in einem betreuten Rahmen Sex haben – was ihnen in anderen Einrichtungen oft verwehrt wird.

Der Trailer zum Kurzfilm mutet etwas seltsam an. Gerade der Pfleger in seinem OP-Outfit wirkt für mich sehr steril, auch das ganze Ambiente macht auf mich leider einen etwas kalten Eindruck. Allerdings gibt es nach ersten Augenschein auch sehr erotische Szenen und die beiden Protagonisten sind offenbar tatsächlich behindert. Darüber hinaus ist es allein schon deshalb interessant, weil der Kurzfilm auf einem realen Pilotprojekt basieren. Ich bin auf jeden Fall gespannt.

Link zur Sendung auf ARTE: „Nimm mich“ von Anaïs Barbeau-Lavalette und André Turpin

UPDATË: Inzwischen habe ich den Kurzfilm gesehen und der erste Eindruck aus dem Trailer hat sich bestätigt. Die erotischen Szenen mit den beiden tatsächlich behinderten Protagonisten waren sehr authentisch, Setting und Ambiente aber steril, deprimierend und krankenhausartig – was durchaus gewollt sein kann und auch leider oftmals die Realität in Heimen entspricht. Der Zwiespalt, in dem der Pfleger stärkste wurde auch sehr realistisch rüber gebracht.Was ich nicht ganz schlüssig fand, war, warum die beiden Protagonisten überhaupt Heimbewohner waren. Immerhin schienen sie doch auch in der Lage, ihr Leben mittels persönlicher Assistent selbstbestimmt zu führen. In einer eigenen Wohnung wäre sicherlich auch kein Intimitätszimmer notwendig.

http://www.youtube.com/watch?v=t0cL2vckZn0