Im sogenannten nordischen Modell, werden nicht Prostituierte kriminalisiert, sondern deren Kunden, also Menschen, die für Sex zahlen. Diesem Modell, das vor allem aus Schweden bekannt ist, folgt nun auch Nordirland – und einige andere Länder überlegen, das Gleiche zu tun.
Die Diskussion über dieses Modell dreht sich meistens um die Frage, ob die Kriminalisierung der Kunden („Freier“) die Sicherheit und das Wohlbefinden der Prostituierten gefährdet. Und es gibt noch eine weitere Facette – die sexuelle Befriedigung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, zum Beispiel Menschen mit Behinderung.
Menschen mit Behinderung werden oft als weniger sexuell angesehen. Der gesellschaftliche Blick auf ihr Verlangen und Lustempfinden wird oft von Vorurteilen und Stigmatisierung geprägt, sowie durch mangelndes Bewusstsein. Das kann dazu führen, dass es für Menschen mit Behinderung schwieriger ist, einen geeigneten Partner oder eine geeignete Partnerin für das Ausleben ihrer Sexualität zu finden.
Die Zeitung „Disability Now“ (Behinderung Jetzt) hat im Jahr 2005 eine Umfrage zu diesem Thema durchgeführt. Darin antworteten etwa 12% der männlichen Teilnehmer, dass sie schon mal für Sex bezahlt hatten. 40% der Männer und 16% der Frauen haben zumindest schon mal darüber nachgedacht, obwohl nur 1% der Frauen diesen Schritt tatsächlich getan hat.
Die Sex-Industrie abzuschaffen und Freier weiter zu kriminalisieren steht schon lange auf der Agenda der britischen Regierung. Den Klienten wird unterstellt, den Drogenhandel zu fördern und die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten voran zu treiben. Die Zahl der Festnahmen für das Aufsuchen einer Sexarbeiterin oder eines Sexarbeiters stieg in London von 81 im Jahr 2010 auf 180 im Jahr 2013.
Dämonisierung von Freiern
Freier werden oft als Männer dargestellt, die gerne Frauen degradieren, oder auch als gewalttätige Charaktere, die Freude daran finden, Frauen zu missbrauchen. Die Forschung allerdings widerspricht diesen Aussagen überwiegend. Die Gründe, warum Freier Prostituierte aufsuchen können sehr vielfältig sein. Dazu zählen sexuelle Frustration, der Wunsch nach mehr Abwechslung in der Wahl sexueller Partner, das Verlangen nach ungewöhnlichen oder besonderen Sexualpraktiken, der Reiz, etwas Verbotenes zu tun, sich nicht auf eine Partnerschaft festlegen zu wollen, Einsamkeit, oder schlicht das Problem, keine Partnerin zu finden.
Auf einer britischen Seite, auf der Freier sexuelle Dienstleistungen bewerten können, erfährt man mehr über die Gründe, warum Männer Sex kaufen. Nur eine Bewertung war sehr abfällig und respektlos.
Die große Mehrheit der Beiträge konzentrierte sich auf den geleisteten Service und die Charakteristik der Prostituierten und war im allgemeinen sehr positiv. Etwa 30% der Kommentare behandelten speziell den „Freundinnen“-Aspekt der Frauen und noch mehr handelten von Dingen wie Augenkontakt, küssen und kuscheln. Das zeigt, dass die Männer nicht nur Sex, sondern auch Nähe und Intimität suchen. Die Rückmeldung von Klienten mit Behinderung waren besonders positiv.
Spezielle Angebote für Menschen mit Behinderung
Tuppy Owens, Sexualtherapeutin und Gründerin der TLC Stiftung, die Menschen mit Behinderung mit Prostituierten in Kontakt bringt argumentiert, dass eine Kriminalisierung der Kunden für Menschen mit Behinderung besonders tragisch wäre. Andere Freier können in den Untergrund ausweichen, wenn sie Angst haben, entdeckt zu werden. Das sei für Menschen mit Behinderung schwieriger, weil sie teilweise auch noch eine außenstehende Person benötigen, die ihnen beim Kontakt behilflich ist.
Eine Kriminalisierung würde es für manche Menschen mit Behinderung schlicht unmöglich machen, käufliche sexuelle Dienstleistungen weiterhin in Anspruch zu nehmen.
Touching Base ist eine weitere Organisation aus New South Wales in Australien, die Sexarbeiter an Menschen mit Behinderung vermittelt. Sie schult Sexarbeiter darin, im Umgang mit Behinderten informiert zu sein und das nötige Vorwissen bezüglich besonderer Bedürfnisse zu haben. Derartige Dienstleistungen wären unter einer Kriminalisierung nicht möglich.
Wir müssen anerkennen, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Bedürfnisse nach Erfüllung ihrer sexuellen Bedürfnisse haben und dass nicht jeder dafür einen Partner im realen Leben und ohne professionellen (bezahlten) Hintergrund finden kann. Wir sollten Initiativen, die dafür eine sichere Umgebung schaffen eher fördern als verhindern.
(Übersetzung eines Artikels aus „The Conversation“)