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Filmreview: „Good Bad Things“

Grit und ich haben heute Good Bad Things gesehen, der dieses Wochenende als Streaming-Event auf der Plattform Veeps zu sehen war. Der Film hat mich stark berührt. Regisseur Shane Stanger greift darin die Themen Liebe, Behinderung und Männlichkeit auf und erzählt die Geschichte von Danny, einem Unternehmer mit Muskeldystrophie, der sich den Herausforderungen von Freundschaft, Online-Dating und Selbstakzeptanz stellt. Der Film reduziert Danny nicht auf seine Behinderung und vermeidet das übliche „tragischer Held“-Klischee. Stattdessen zeigt er das vielschichtige Leben eines Mannes mit Höhen und Tiefen, Zweifeln, Erfolgen und Intimität.

Für mich war der Film auf vielen Ebenen nachvollziehbar. Genau wie Danny lebe ich mit einer neuromuskulären Erkrankung und erkenne mich in seinen emotionalen Kämpfen um Verletzlichkeit und die Angst vor Ablehnung wieder. Good Bad Things fängt diese Angst und die Komplexität, eine Behinderung in einer Beziehung zu offenbaren, sehr authentisch ein. Es beschönigt nichts, definiert Danny aber auch nicht nur über seine Behinderung. Seine vorsichtige, aber transformative Beziehung zu Madi, einer Fotografin, erinnerte mich an meine eigene Beziehung zu Grit. Auch wir setzen uns in unseren künstlerischen Projekten mit den Themen Verletzlichkeit und Schönheit auseinander und bewegen uns in ähnlicher Weise im Spannungsfeld zwischen Intimität und Behinderung.

Besonders beeindruckt hat mich, wie der Film das Thema Männlichkeit darstellt. Danny ist kein typischer „harter Kerl“, sondern die Geschichte zeigt seine emotionale Verletzlichkeit als Stärke. Diese neue Sicht auf Männlichkeit ist erfrischend, besonders in Verbindung mit einer Behinderung. Der Film bricht mit traditionellen Vorstellungen davon, was es heißt, ein Mann zu sein, und betont, dass Emotionen zu zeigen und sich auf andere zu verlassen keine Schwäche ist, sondern Teil des Menschseins.

Auch die Beziehung zwischen Danny und seinem besten Freund Jason wirkte auf mich sehr authentisch. Ihre Freundschaft, die auf gegenseitiger Unterstützung und Gleichberechtigung basiert, erinnerte mich daran, wie Grit und ich unsere Partnerschaft, sowohl privat als auch beruflich, gestalten. Der Film vermeidet es, Jason als den „Retter“ darzustellen, was oft ein Fallstrick in solchen Geschichten ist. Stattdessen unterstützen sich beide Figuren auf Augenhöhe, was ich sehr schätze.

Am kraftvollsten fand ich, wie Dannys Beziehung zu Madi zu einem Wendepunkt für ihn wird. Sie hilft ihm, seinen Körper in einem neuen Licht zu sehen – nicht als Hindernis, sondern als etwas, das Liebe und Verbindung verdient. Dieser Prozess, sich durch die Augen eines Menschen, der einen wirklich annimmt, neu zu sehen, ist mir sehr vertraut. Grit und ich haben in unserer Beziehung einen ähnlichen Raum geschaffen, in dem wir uns gegenseitig herausfordern und unterstützen, die Teile von uns zu akzeptieren, die wir vielleicht sonst schwer annehmen könnten.

Der Film spricht auch ein Thema an, das mir besonders wichtig ist: Repräsentation. Es ist selten, einen Protagonisten mit einer Behinderung in einer so vielschichtigen Rolle zu sehen, insbesondere im romantischen Kontext. Dannys Geschichte dreht sich nicht darum, seine Behinderung zu überwinden, sondern darum, voll und ganz mit ihr zu leben – etwas, das auch meine eigene Erfahrung widerspiegelt. Filme wie Good Bad Things und Touch Me Not, mit denen Grit und ich uns künstlerisch auseinandergesetzt haben, stellen die gängigen Narrative über Behinderung infrage. Sie zeigen, dass Menschen mit Behinderungen fähig sind zu lieben, zu begehren und Intimität zu erleben und nehmen dabei ihre eigene Körperlichkeit wieder in Besitz – in einer Welt, die uns oft marginalisiert.

Letztendlich ist Good Bad Things ein Spiegel meiner eigenen Reise: die Akzeptanz meines Körpers, die Neudefinition von Männlichkeit und Intimität nach meinen eigenen Maßstäben. Der Film erinnert daran, dass auch unsere Geschichten, in all ihrer Komplexität, authentisch erzählt werden müssen. Menschen mit Behinderungen verdienen es, glücklich zu sein, und ihre Geschichten verdienen es, gehört zu werden.

Lecture Series: Care, Disability and Art

Veranstaltung zum Thema Behinderung und Kunst mit Gespräch zu „Touch Me Not – Poetics and Politics of the Body“

Ich habe die großartige Gelegenheit, Grit Uhlemann und die Filmemacherin Adina Pintilie zu einer Diskussion über „Touch Me Not: Poetics and Politics of Intimacy“ in einem Vortrag zu begleiten, der von der Forschungsgruppe „Rethinking Art History through Disability“ am Institut für Kunstgeschichte organisiert wird. Universität Zürich und den Master Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK.

Grit und ich spielten eine wichtige Rolle in diesem unglaublichen Projekt, bei dem wir unsere eigene Sexualität offen diskutierten und erforschten und gesellschaftliche Normen und Stereotypen herausforderten. Wir hoffen, dass unsere Verletzlichkeit und Bereitschaft, diese Erfahrungen vor der Kamera zu teilen, dazu beigetragen hat, marginalisierte Körper zu stärken und falsche Vorstellungen von Behinderung und Sexualität zu hinterfragen.

Das Institutskolloquium / Pool FS23: Ringvorlesung: Pflege, Behinderung und Kunst beschäftigt sich mit der Repräsentation des menschlichen Körpers in der Kunst und der Problematik, Behinderung als soziales und kulturelles Konstrukt zu definieren. Diese Veranstaltung ist Teil der Vortragsreihe und bietet die Möglichkeit, über den Körper als Mittel zur Verarbeitung erkannter und unerkannter Geschichte, Traumata und Sehnsüchte nachzudenken und dazu anzuregen, unsere Verbindung zu den Körpern anderer und zu unseren eigenen in den Mittelpunkt zu stellen Zentrum unseres persönlichen und politischen Lebens.

Die Veranstaltung findet am 11. Mai 2023 an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich, Raum Kino Toni ZT 3.G02 statt und wird auch live gestreamt. Adina Pintilie, Grit Uhlemann und ich sind die Hauptredner. Adinas plattformübergreifende Recherche zur Politik und Poetik von Intimität und Körper, einschließlich ihres Spielfilms Touch Me Not, gewann den Goldenen Bären auf der Berlinale 2018 und wurde weit verbreitet bekannt für seine grenzüberschreitende Sprache und Ästhetik.

Als Aktivist für die Rechte behinderter Menschen interessiere ich mich für die Kraft der Kunst, Perspektiven zu verändern und Normen in Frage zu stellen. Das Hinterfragen von Normen im Zusammenhang mit Behinderungen und die Stärkung ausgegrenzter Körperschaften ist ein entscheidender Schritt zur Schaffung einer integrativeren Gesellschaft. Indem wir anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen einzigartige Stärken und Fähigkeiten haben, können wir sie befähigen, ein erfülltes Leben zu führen und einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Ein weiterer Bereich, in dem es wichtig ist, Normen in Frage zu stellen, ist die Auseinandersetzung mit Stereotypen und Missverständnissen in Bezug auf Sexualität und Behinderung. Leider glauben viele Menschen immer noch, dass Menschen mit Behinderungen asexuell sind oder ihnen der Wunsch nach Intimität und sexueller Erfüllung fehlt. Indem wir diese Normen in Frage stellen und uns für die Stärkung marginalisierter Körperschaften einsetzen, können wir eine integrativere und akzeptierendere Gesellschaft schaffen, die die vielfältigen Erfahrungen und Perspektiven aller Individuen wertschätzt.

In „Politics of the Body“ nutzen Grit und ich die Plattform weiterhin, um uns für die Rechte marginalisierter Gemeinschaften einzusetzen. Durch unsere Arbeit als Aktivisten und Künstler haben wir dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der körperlichen Autonomie und die Notwendigkeit einer stärkeren Inklusion und Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen zu lenken.

Nehmen Sie an dieser spannenden Veranstaltung teil, um die Darstellung des menschlichen Körpers über alle Epochen und Kulturen hinweg sowie das grundlegende Medium der Kunstproduktion und -rezeption zu erkunden. Ich glaube, dass die Veranstaltung uns eine Plattform bieten wird, um darüber nachzudenken, wie wichtig es ist, den Körper und seine historisch konstruierte Einheit, insbesondere im Hinblick auf funktionale Vielfalt, innerhalb der kunsthistorischen Forschung neu zu denken.

Amelotatismus: Das Begehren nach Menschen mit körperlicher Behinderung

„Anna* fühlt sich von Männern mit Behinderung angezogen. Stefanie*, die eine körperliche Behinderung hat, war mit Männern zusammen, die genau das begehrten. Eine Geschichte von zwei Frauen auf der Suche nach sexueller Erfüllung“ schreibt Konrad Wolf, studierter Theaterregisseur sowie freier Autor im Online-Magaqin ze.tt. Sowohl in seinen Regiearbeiten als auch in seinem Schreiben ist er angetrieben durch den Wunsch, Menschen mit Behinderung sichtbar und hörbar zu machen.

Er meint „Sowohl Amelotatist*innen als auch behinderte Menschen machen in ihrem Leben die Erfahrung, von der Norm abzuweichen – die einen in ihrem Begehren, die anderen durch ihre Körperlichkeit. Das ist etwas, das sie verbindet und füreinander gegenseitig anziehend machen kann.“. Den können wir uns nur anschließen. Insgesamt ein toller Artikel über andersartige Sexualität mit einem positiven Blickwinkel.

Den gesamten Text findet ihr hier:

YouTube: #100percentme – Ihr habt Sex?

Anouk und Lukas sind seit dreieinhalb Jahren in einer Beziehung und haben sich schon einiges anhören müssen, weil Anouk im Rollstuhl sitzt und Lukas nicht. Denn Lukas ist nicht Anouks Pfleger und hat auch kein besonders ausgeprägtes Helfersyndrom. Jetzt erklären die beiden, warum die meisten Vorurteile Quatsch sind und beantworten auch die Frage aller Fragen: Wie funktioniert das eigentlich beim Sex?

Meine persönliche Geschichte

Heute möchte einmal etwas von mir und meiner Vergangenheit erzählen. Also fange ich am besten ganz von vorne an. Ich bin 1975, also direkt in den wilden 70gern, geboren. Ich habe einen Bruder, der sechs Jahre älter ist als ich und meine Eltern leben im idyllischen Hunsrück.

Im Alter von sechs Monaten wurde bei mir Spinale Muskelatrophie diagnostiziert. Das war ein sehr einschneidendes Erlebnis für meine Eltern, da damals auch noch nicht sehr viel über diese Krankheit bekannt war und niemand wußte genau was gibt es denn da für Unterstützung oder frühe Hilfen.

Sie waren dann zu der Zeit mehr oder weniger auf sich allein gestellt, aber die Omas und auch der Freundeskreis haben meine Eltern unterstützt, das hat dann ganz gut funktioniert.

Das erste Erlebnis an das ich mich wirklich sehr bewusst erinnere ist, als ich mit gerade einmal sechs Jahren in ein Internat kam. Das war 1981 da gab es noch keine Betreuung oder gar Inklusion, nicht mal eine Schulassistenz, die mich hätte begleiten können. Damals war dann die einzige Option mich auf das Internat zu schicken, da die Sonderschule, zu der gehen konnte, zu weit entfernt war.

Die normale Schule wäre auch wirklich schwierig für mich gewesen, da ich speziell im Hochsprung (auch heute noch!) sehr schlecht war. 🙂

Jeder kann sich vorstellen das es für mich sehr heftig war, als Kind weg von meinen Eltern, der vertrauten Umgebung und alles was ich zu diesem Zeitpunkt gekannt hatte, gehen zu müssen. Ich hatte schreckliches Heimweh und fühlte mich anfangs auch wirklich sehr einsam.

Ich habe mir dann auch relativ schnell einen guten Freundeskreis aufgebaut, wir waren zum Teil richtige Kameraden. Einer der mit dem ich mehrere Jahre das Zimmer geteilt habe ist auch heute noch ein wirklich guter Freund, wir sind wie Brüder und so war das Gefühl der Einsamkeit auch wirklich schnell verflogen. Das Internat endete für mich mit dem Abschluss der Hauptschule, da war ich dann Anfang 20.

In meiner Jugendzeit war Sexualität ein relativ schwieriges Thema gerade auch was meine eigene Wahrnehmung und mein Selbstbewusstsein angeht.

Ich hatte zu der Zeit viele platonische Freundinnen, wenn ich da auch mal mehr versucht hatte und die nicht wollten war ich nicht total depremiert, im Gegenteil ich habe dann eben bei einer anderen mein Glück versucht! Leider hatte ich immer Probleme eine körperliche Beziehung aufzubauen, meine erste richtige Beziehung hatte ich eigentlich ziemlich spät, da war ich ungefähr Mitte 20. Wenn ich jetzt an diese Zeit zurück denke habe ich es vor meiner ersten Beziehung als relativ schwierig empfunden eine Partnerin zu finden. Gerade was das Sexuelle angeht, denn platonische Freundinnen waren nie eine Schwierigkeit für mich. Ich denke es war für die Frauen, in die ich verliebt war, schwieriger war, da ich ja in einer Einrichtung gelebt habe und man da nie wirklich Zeit für sich alleine hatte. Alles wurde im Voraus geplant und wer möchte schon eine Beziehung nach Zeitplan? Eine Partnerschaft braucht Freiraum und da will man sich nicht irgendwo rein drängen lassen, das war schon auch ein großer Störfaktor. Mein Freundeskreis bezog sich auch sehr auf Menschen aus der Einrichtung, da war kein wirklich echter Kontakt zur Außenwelt. Solange ich nur bei meinen Eltern oder eben später in der Einrichtung gelebt hab, hatte ich auch keine Beziehung. Erst mit der persönlichen Assistenz hat sich das alles zum positiven gewendet, auch was Freizeitgestaltung angeht und auch mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

So lernte ich dann meine erste Freundin kennen. Zuerst haben  wir uns nur E-mails geschrieben, das wurde immer intensiverund irgendwann waren wir dann in einer Beziehung miteinander. Das klingt jetzt vielleicht ein bißchen plakativ, man schreibt, trifft sich dann und schwupps ist man in einer Beziehung, aber genau so war es! Diese Partnerschaft hatte ich dann etwa 6 Jahre lang. Als wir zusammen gekommen sind war ich 25, bei der Trennung 31.

Wir hatten eine traditionelle Beziehung, wir haben auch zusammen gewohnt, also wie bei anderen Paaren auch. Ich habe mich in dieser Zeit auch weiter entwickelt. Aber als wir uns dann getrennt hatten, habe ich an mir gezweifelt, mein Selbstbewusstsein war ziemlich niedrig zu dem Zeitpunkt.

Das Gefühl von Einsamkeit und dem Grübeln ob ich wohl jemals wieder jemanden finden werde beschäftigten mich. Ich wollte aber nicht nur da sitzen und jammern sondern wieder aktiv teilhaben, schließlich war ich Single! So beschloss ich, aktiv zu werden und Kontakte zu knüpfen, hauptsächlich im Internet über entsprechende Seiten. Ich hatte dann wirklich mit vielen Leuten Kontakt und fand die Zeit auch sehr spannend, so viele verschiedene Charaktere kennen zu lernen. Aber auch in Bezug auf mich, meine Bedürfnisse und Vorlieben, war diese Zeit sehr lehrreich. Ich war nie ein Chorknabe und hatte mehrere kurze Affairen, manche davon auch parallel. Das war eine sehr aufregende Zeit in meinem Leben und ich habe sehr viele Erfahrungen gesammelt.

Zwischendurch hatte ich eine 2 Jährige Beziehung die doch ziemlich chaotisch war. Meine Freundin hatte Borderline und eine Bindungsstörung.  Wir hatten eine offene Beziehung, was ja an und für sich kein Problem ist, aber in der Konstellation mit Borderline war es dann schon ziemlich heftig. Auch da habe ich sehr viel über mich selbst gelernt, auch wo meine Grenzen sind, wann es besser ist mich, auch emotional, selbst zu beschützen.

Seit ungefähr 5 Jahren bin ich mit meiner jetztigen Freundin zusammen, das ist eine wieder eher bodenständige Beziehung. Ich möchte nicht sagen das es eine normale Beziehung ist, denn normal bin ich nicht 🙂 aber doch wie bei jedem anderen auch, wir lachen wir streiten, wir haben Sex, in so fern auch traditionell. Man könnte sagen, der Kreis hat sich geschlossen, und dennoch wäre das nicht ganz richtig, denn ich bin jetzt eine andere Person als zu Beginn meiner Auseinandersetzung mit Partnerschaft und Liebe.

Aber was will ich mit diesem Beitrag überhaupt sagen? Vielleicht, was wichtig ist, um eine erfüllte Partnerschaft leben zu können.

Dahin wie mein Leben jetzt ist, bin ich vorwiegend durch die persönliche Assistenz gekommen. Nur so kann ich ein Leben führen zu können wie alle anderen auch. Das ist eine fundamentale Voraussetzung für Inklusion. Nur wenn diese Basis eines selbstbestimmten Lebens gelingt, kann auch eine erfüllte Partnerschaft gelebt werden. Und welche kulturellen Zwänge eine erfüllten Partnerschaft bei einem Leben in einer Institution entgegenstehen, habe ich ja schon ausführlich weiter oben erzählt.

Was braucht es noch? Immer noch viele Menschen ein falsches Bild, da eine Berührung oder eine Begnegnung mit einem behinderten Menschen oft Ängste außlöst. Gerade weil es vielen fremd ist mit einem solchen Mensch um zu gehen. Ich denke 90% hatten niemals Kontakt mit einem Behinderten und meiner Meinung nach sollte jeder frühmöglichst gerade diesen Kontakt haben um zu wissen, das sind ganz normale Menschen wie du und ich auch, da ist nichts wo man Angst haben müsste! Leider wird die Oberflächlichkeit und das Schönheitsideal von Plattformen wie Instagram noch gepusht. Ich will das gar nicht persé verdammen, es bietet ja auch Freiheit! Es muss aber eine Balance geben zwischen dieser Oberflächlichkeit und der Realität, wo es auch eine Vielfalt an Menschen gibt. Schnelle Befriedigung von Gelüsten ist hifreich aber auf Dauer kein Ersatz für eine echte Beziehung.

Im Gegenzug hat mir das Internet auch geholfen, gerade als ich Single war. So konnte ich einfacher und schneller in Kontakt mit Menschen treten, man hat sich da zwar oft in einer Nische bewegt, aber da findet man eben wirklich Leute die einen auch attraktiv finden, also kann das Internet durchaus ein Hilfsmittel sein.

Vielleicht hab ich in diesem etwas persönlicherem Post ein bisschen von meinen eigenen Erfahrungen weitergeben können. Am wichtigsten finde ich aber : Mut. Habt Mut, zu erforschen, eure Bedürfnisse und euer Verlangen kennen zu lernen, euren eigenen Weg zu gehen und eure eigene Schönheit zu entdecken.

Braucht die Gesellschaft Sextherapie?

Nach einiger Zeit der Pause erscheint endlich mal wieder ein neuer Blog-Post auf Kissability! Der Text entstand aus einem Interview, was im Rahmen eines Artikels in der Edition F zu “Touch Me Not“ geführt wurde. Leider sind unsere Beiträge nur zum Teil in den dortigen Artikel eingeflossen, aber ich nutze die Gelegenheit, das Original hier zu veröffentlichen 🙂

Braucht die Gesellschaft Sextherapie?

Chris: Ich finde den Begriff der Therapie in diesem Zusammenhang nicht passend, denn er weckt Assoziationen zu Defiziten die repariert werden müssten und ist negativ besetzt. Was aber wichtig ist, ist dass wir als Gesellschaft offener und toleranter gegenüber der Vielfalt der Sexualität werden, auch in ihren devianten Spielarten.

Grit: Natürliche Begegnung mit sich selbst und die Kommunikation mit meinem Partner egal auf welcher Ebene, sind für mich in der Partnerschaft immer ganz wichtig gewesen. Eine Gesellschaft, die sich das als Anspruch stellt, trägt zu mehr Mitmenschlichkeit bei.

Warum lohnt es sich seine eigene Sexualität zu erkunden?

Grit: Die eigene Spannbreite meines sexuellen Ausdrucks und meiner Erfahrung haben mir sehr viel über die Art und die Tiefe meines Wesens auch im Annehmen und der Tiefe der Verbindung zu meinem Partner gezeigt.

Chris: Die eigene körperliche Wahrnehmung gehört zum Kern jeder Persönlichkeit. Wir sind alle körperliche Wesen. Eine erfüllte Sexualität ist dementsprechend eins der Grundbedürfnisse des Menschen, so wie Essen und Sicherheit. Auf der anderen Seite ist das sexuelle Empfinden individuell sehr unterschiedlich. Also muss man erstmal seinen eigenen Körper und sein Begehren kennenlernen, um überhaupt Erfüllung erlangen zu können. Viele Menschen richten sich aber nach gesellschaftlichen Narrativen und Normen aus, statt ihre eigenen Gefühle kennenzulernen. Das führt oftmals zur Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse und damit verbunden zu Unglück und teilweise sogar Gewalt. Diese Spirale zu durchbrechen und die Möglichkeit zu erkunden, ein selbstbestimmtes und glückliches Leben auch im Bereich der Sexualität zu finden lohnt sich für jeden Menschen.

Wie definieren wir Attraktivität?

Grit: Attraktivität hat für mich immer was sehr persönliches gehabt, sie hat sich über die Zeit auch geändert. Es war für mich immer eine Suche nach einem Partner, mit dem ich intellektuell sehr verwoben bin und der ein gewisses Charisma besitzt, dass aber von guten Absichten geprägt ist. Ein Partner mit dem man sich gut austauschen kann, ist quasi schon die „dreiviertele Miete“ der Beziehung. Mit Christian empfinde ich mich in beidem verbunden, sowohl die gemeinsame Auseinandersetzung mit unserer täglichen eigenen Beziehung, als auch mit der Begegnung unserer Umgebung.

Chris: Intime Anziehung kann auf enorm vielen Facetten basieren und was man als attraktiv empfindet, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Ich stehe sicherlich auf andere Eigenschaften und Merkmale, als mein Nachbar, mein Postbote oder die Autorin dieses Textes. Unterm Strich kann man es niemals jedem Recht machen und allen gefallen. Was so ernüchternd klingt hat aber in Wahrheit etwas charmantes und positives: jeder Mensch hat nämlich auch Eigenschaften, die attraktiv sind und auf andere Menschen anziehend wirken. In dem man sich selbst kennenlernt und experimentiert, kann man diese „herausputzen“. Es mag vielleicht wie ein Cliché klingen, aber letzten Endes ist das genau der Grund, warum wahre Schönheit von innen kommt.

Es geht dabei nämlich nicht darum, seinen Körper zu verleugnen, sondern ganz im Gegenteil, ihn zu erkennen und anzunehmen.

Was haben wir über uns und andere durch den Film (Touch Me Not) gelernt?

Grit: Für mich war es ein großer Schritt, zwischen meiner ersten Begegnung mit Adina über Skype und dem Raum, wo ich mich jetzt befinde. Eine sehr großer Erfahrungsschatz an menschlicher Verbindung und Austausch, sexueller Vielfalt, eigener kommunikativer Ausdrucksmöglichkeiten und der sehr tiefen Annahme meines Wesens seitens des Publikums haben mir es ermöglicht jetzt in diesem Leben verankert zu sein. Und ich wünsche mir von Herzen, das so eine Menschlichkeit geschaffen wird, indem jeder sich selbst erfahren kann und wir die Offenheit besitzen, diese Vielfalt zu tragen.

Chris: In erster Linie war es eine super spannende und bereichernde Erfahrung, bei einem solchen experimentellen und künstlerischen Projekt beteiligt gewesen sein. Wir haben viele tolle Menschen kennengelernt und viele intensive Beziehungen geknüpft. Durch die Arbeit mit den Tagebüchern und die Reflexion mit Adina und den anderen Protagonisten konnte ich meine Haltung zu den Themen des Films tiefer herausarbeiten und festigen. Etwas sehr wichtiges habe ich aber auch durch das Publikum und die Medienöffentlichkeit gelernt, nachdem der Film bekannt wurde: Das Thema “Intimität und Körperlichkeit“ ist enorm wichtig und berührt viele Menschen in ihrem innersten Kern. Das ist für viele oftmals nicht einfach. Gerade deswegen lohnt es sich vielleicht genauer hinzuschauen.

Was ist unser Ratschlag an Leute, die ihre Sexualität befreien wollen?

Chris: Meiner Meinung nach gibt es zwei große Kräfte, die einen daran hindern, sexuelle Freiheit zu leben: zum einen ist da die Scham und die Angst, nicht gut genug zu sein und beurteilt zu werden. Zum anderen gibt es gesellschaftliche Normen und Zwänge, die es einem schwer machen, seine Bedürfnisse und Sehnsüchte offen zu zeigen. Beide Kräfte sind schwer zu überwinden, vor allen Dingen, weil sie so tief mit unserem  Unterbewusstsein eingegraben sind. Ich glaube, der erste Schritt sollte sein, die innere Scham anzuerkennen. Erst dann kann man versuchen, über sie hinauszuwachsen, wenn man das möchte.

Grit: Follow your guts! Folge dem, wonach du dich sehnst….am besten in allen Lebensbereichen. Fühle die Freiheit, die du dir erträumst. Spüre deinen Körper!

Einen fruchtbaren Austausch mit Menschen, denen man vertraut, fand ich immer wertvoll, da das die eigenen Schamgrenzen und Zwänge, die wir durch unsere Umgebung aufgebaut haben, aufbrechen kann.

Oft stellt man im Nachhinein fest, dass die Beklemmungen und Ängste gar nicht gerechtfertigt waren.

Braucht die Gesellschaft eine Sextherapie?

Im Rahmen eines Interviews zu unserem Film „Touch Me Not“ wurden Grit und mir neulich sehr interessante Fragen gestellt. Das Interview wurde nicht in voller Länge veröffentlicht, aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, sie hier zu publizieren. Viel Spaß beim Lesen!

Braucht die Gesellschaft Sextherapie?

Chris: Ich finde den Begriff der Therapie in diesem Zusammenhang nicht passend, denn er weckt Assoziationen zu Defiziten die repariert werden müssten und ist negativ besetzt. Was aber wichtig ist, ist dass wir als Gesellschaft offener und toleranter gegenüber der Vielfalt der Sexualität werden, auch in ihren devianten Spielarten.

Grit: Natürliche Begegnung mit sich selbst und die Kommunikation mit meinem Partner egal auf welcher Ebene, sind für mich in der Partnerschaft immer ganz wichtig gewesen. Eine Gesellschaft, die sich das als Anspruch stellt, trägt zu mehr Mitmenschlichkeit bei.

Warum lohnt es sich seine eigene Sexualität zu erkunden?

Grit: Die eigene Spannbreite meines sexuellen Ausdrucks und meiner Erfahrung haben mir sehr viel über die Art und die Tiefe meines Wesens auch im Annehmen und der Tiefe der Verbindung zu meinem Partner gezeigt.

Chris: Die eigene körperliche Wahrnehmung gehört zum Kern jeder Persönlichkeit. Wir sind alle körperliche Wesen. Eine erfüllte Sexualität ist dementsprechend eins der Grundbedürfnisse des Menschen, so wie Essen und Sicherheit. Auf der anderen Seite ist das sexuelle Empfinden individuell sehr unterschiedlich. Also muss man erstmal seinen eigenen Körper und sein Begehren kennenlernen, um überhaupt Erfüllung erlangen zu können. Viele Menschen richten sich aber nach gesellschaftlichen Narrativen und Normen aus, statt ihre eigenen Gefühle kennenzulernen. Das führt oftmals zur Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse und damit verbunden zu Unglück und teilweise sogar Gewalt. Diese Spirale zu durchbrechen und die Möglichkeit zu erkunden, ein selbstbestimmtes und glückliches Leben auch im Bereich der Sexualität zu finden lohnt sich für jeden Menschen.

Wie definieren wir Attraktivität?

Grit: Attraktivität hat für mich immer was sehr persönliches gehabt, sie hat sich über die Zeit auch geändert. Es war für mich immer eine Suche nach einem Partner, mit dem ich intellektuell sehr verwoben bin und der ein gewisses Charisma besitzt, dass aber von guten Absichten geprägt ist. Ein Partner mit dem man sich gut austauschen kann, ist quasi schon die „dreiviertele Miete“ der Beziehung. Mit Christian empfinde ich mich in beidem verbunden, sowohl die gemeinsame Auseinandersetzung mit unserer täglichen eigenen Beziehung, als auch mit der Begegnung unserer Umgebung.

Chris: Intime Anziehung kann auf enorm vielen Facetten basieren und was man als attraktiv empfindet, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Ich stehe sicherlich auf andere Eigenschaften und Merkmale, als mein Nachbar, mein Postbote oder die Autorin dieses Textes. Unterm Strich kann man es niemals jedem Recht machen und allen gefallen. Was so ernüchternd klingt hat aber in Wahrheit etwas charmantes und positives: jeder Mensch hat nämlich auch Eigenschaften, die attraktiv sind und auf andere Menschen anziehend wirken. In dem man sich selbst kennenlernt und experimentiert, kann man diese „herausputzen“. Es mag vielleicht wie ein Cliché klingen, aber letzten Endes ist das genau der Grund, warum wahre Schönheit von innen kommt.
Es geht dabei nämlich nicht darum, seinen Körper zu verleugnen, sondern ganz im Gegenteil, ihn zu erkennen und anzunehmen.

Was haben wir über uns und andere durch den Film gelernt?

Grit: Für mich war es ein großer Schritt, zwischen meiner ersten Begegnung mit Adina über Skype und dem Raum, wo ich mich jetzt befinde. Eine sehr großer Erfahrungsschatz an menschlicher Verbindung und Austausch, sexueller Vielfalt, eigener kommunikativer Ausdrucksmöglichkeiten und der sehr tiefen Annahme meines Wesens seitens des Publikums haben mir es ermöglicht jetzt in diesem Leben verankert zu sein. Und ich wünsche mir von Herzen, das so eine Menschlichkeit geschaffen wird, indem jeder sich selbst erfahren kann und wir die Offenheit besitzen, diese Vielfalt zu tragen.

Chris: In erster Linie war es eine super spannende und bereichernde Erfahrung, bei einem solchen experimentellen und künstlerischen Projekt beteiligt gewesen sein. Wir haben viele tolle Menschen kennengelernt und viele intensive Beziehungen geknüpft. Durch die Arbeit mit den Tagebüchern und die Reflexion mit Adina und den anderen Protagonisten konnte ich meine Haltung zu den Themen des Films tiefer herausarbeiten und festigen. Etwas sehr wichtiges habe ich aber auch durch das Publikum und die Medienöffentlichkeit gelernt, nachdem der Film bekannt wurde: Das Thema “Intimität und Körperlichkeit“ ist enorm wichtig und berührt viele Menschen in ihrem innersten Kern. Das ist für viele oftmals nicht einfach. Gerade deswegen lohnt es sich vielleicht genauer hinzuschauen.

Was ist unser Ratschlag an Leute, die ihre Sexualität befreien wollen?

Chris: Meiner Meinung nach gibt es zwei große Kräfte, die einen daran hindern, sexuelle Freiheit zu leben: zum einen ist da die Scham und die Angst, nicht gut genug zu sein und beurteilt zu werden. Zum anderen gibt es gesellschaftliche Normen und Zwänge, die es einem schwer machen, seine Bedürfnisse und Sehnsüchte offen zu zeigen. Beide Kräfte sind schwer zu überwinden, vor allen Dingen, weil sie so tief mit unserem  Unterbewusstsein eingegraben sind. Ich glaube, der erste Schritt sollte sein, die innere Scham anzuerkennen. Erst dann kann man versuchen, über sie hinauszuwachsen, wenn man das möchte.

Grit: Follow your guts! Folge dem, wonach du dich sehnst….am besten in allen Lebensbereichen. Fühle die Freiheit, die du dir erträumst. Spüre deinen Körper!

Einen fruchtbaren Austausch mit Menschen, denen man vertraut, fand ich immer wertvoll, da das die eigenen Schamgrenzen und Zwänge, die wir durch unsere Umgebung aufgebaut haben, aufbrechen kann.

Oft stellt man im Nachhinein fest, dass die Beklemmungen und Ängste gar nicht gerechtfertigt waren.

 

In eigener Sache – Mitautoren gesucht

Leider habe ich Kissability seit einiger Zeit inhaltlich ziemlich vernachlässigt. Und das obwohl momentan eigentlich viel los ist: ein Goldener Bär für Touch Me Not, eine weitere Aufführung der Army of Love in Polen, ein anstehender Bericht über unsere Beziehung im SWR und viele interessante Reportagen in der Presse und in den Medien. Aber: ich habe gerade faktisch keine Zeit, darüber zu schreiben.

Deswegen hier ein kleiner Aufruf: wer hat Lust, bei uns Mitautor zu sein – gesucht werden Menschen, die gut schreiben können und sich für das Thema Sexualität und Behinderung interessieren.

Ja, ich bin behindert. Aber ich liebe Sex immer noch.

Und schon wieder ein neuer Artikel zum Thema „Sexualität und Behinderung“, diesmal in der Washington Post, einer amerikanischen Tageszeitung.

„Wenn ich gewusst hätte, dass ich mit 24 Jahren eine neurologische Autoimmunerkrankung bekommen würde, hätte ich nicht gewartet bis ich 20 bin, um meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Ich hätte früher angefangen, um mit meinem Körper das beste zu machen, solange er noch uneingeschränkt mitmacht.

Als ich noch nicht behindert war, stellten mir Männer Fragen wie: „Habe ich Dich schon mal im Traum gesehen?“ oder „Was hat Botticelli getan, nachdem er Dich gezeichnet hat?“. Kitschige Fragen, zugegeben, aber auch implizierend, dass ich ein sexuelles Wesen bin. Nachdem ich meine Behinderung hatte wurden die Fragen noch dümmer: „Bist Du ansteckend?“ oder „Kannst Du überhaupt Sex haben?“ (Diese Frage habe ich übrigens schon mehrmals beantwortet mit: Ja, aber nicht mit Dir!)

Sex kann ein Minenfeld für uns alle sein. Aber ich muss seit Jahren der Schrapnelle auf Krücken ausweichen.

Ich bin nun 49 Jahre alt und lebe über die Hälfte meines Lebens mit Myalgischer Enzephalomyelitis, oft unpassend als Chronisches Müdigkeitssyndrom bezeichnet. Meine Symptome sind unter anderem ständige Temperaturschwankungen, gefährlich niedriger Blutdruck, Schwindel, Anfälligkeit für Infekte, geschwollene Lymphknoten, extreme Empfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen, häufige Übelkeit, ständige Schmerzen und quälende Müdigkeit (zu sagen ich sei müde ist wie wenn man Lungenentzündung als Erkältung bezeichnete).

An meinen besten Tagen fühle ich mich, als hätte ich Grippe. Ich hatte zwei Phasen im Rollstuhl, zwei längere Abschnitte in denen ich frei laufen konnte, aber meistens benötige ich einen Stock oder Krücken. Ich kann pro Tag etwa 1,5 bis 2 Kilometer gehen, mit Pausen wenn notwendig, aber ich bin darüber sehr dankbar. Laut Aussage des medizinischen Instituts wird etwa ein Viertel der Patienten mit meiner Krankheit ab einem gewissen Punkt bettlägerig bzw. kann das Haus nicht mehr verlassen. Ich bin froh, dass ich immer noch so erstaunlich fit bin, auch wenn ich die meiste Zeit liegend verbringen muss.

Klingt alles nicht sehr sexy, ich weiß.

Sogar ich denke mir, „Wie kann ich bei dieser Wagenladung an Symptomen guten Sex gehabt haben?“. Und wenn ich ehrlich bin, „Bitte bitte bitte kann ich eine Zeitmaschine haben und in die Zeit zurückkehren in der ich noch gesund war, oder soweit in die Zukunft, dass es eine erfolgreiche Behandlung oder Heilung gibt?“.

Leider braucht das Zeitreisen noch eine Weile. Und während namhafte Institute und Ärzte noch an einer Behandlung oder Heilung arbeiten, sind sie nur knapp vor einer Zeitreise. Sie haben herausgefunden, dass ME multi-systemisch, degenerativ und wahrscheinlich tödlich ist. Mögliche Therapien sind stehen bevor. Bis jetzt, allerdings? Null.

Das heißt, ich habe mich damit arrangiert, vor allem weil ich keine andere Wahl hatte. Sex liebe ich immer noch. Teile von mir sind behindert, aber meine Libido ist sehr stark. Ja, den überwiegenden Teil meines Sexlebens hatte ich ME. Aber ich bin sexuell aktiv geblieben und habe versucht den Bedürfnissen meines Partners und meinen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

Auf eine sonderbare Weise bringt mich die Behinderung meinen Partnern näher, weil wir vor Anfang an offen kommunizieren müssen. Idioten halten sowas nicht aus. (Ich hatte mehrere längere Beziehungen. (Ich bin wieder Single, weil mein Partner vor sieben Jahren gestorben ist und ich letztes Jahr eine Verlobung gelöst habe.)

Laut Statistik der USA hat eine/r von fünf Amerikaner/innen eine Behinderung. Aus eigener Erfahrung (z.B. online oder aus Selbsthilfegruppen) habe ich das Gefühl, dass viele von uns sexuell aktiv sind und Wege gefunden haben, mit der Behinderung eine erfüllte Sexualität erleben zu können.

Halten wir kurz inne und merken an, dass Behinderung ein weites Feld ist. Nicht alle von uns haben die gleichen Symptome und nicht alle von uns haben die gleichen körperlichen Voraussetzungen. Ich habe eine der oft „unsichtbar“ genannten Behinderungen – unter die auch Multiple Sklerose, Luxus, Borreliose und andere fallen – wobei eine Person sehr krank sein kann, aber normalerweise gesund aussieht. (Mehrmals pro Woche passiert es mir, dass mich Leute, die meine Krücken sehen fragen, was ich mir denn getan hätte, am Bein.)

Natürlich gibt es Menschen, deren Behinderung Sex unmöglich macht. Oder manche Menschen möchten vielleicht in bestimmten Phasen keinen Sex. Natürlich soll dieser Wunsch respektiert werden. Kein Mensch mit Behinderung soll zum Sex gezwungen werden, wenn ihr Körper nicht mitmacht. Noch sollten sie deshalb anders behandelt werden. Wenn ein Mensch mit Behinderung keinen Sex möchte oder haben kann heißt das nicht, dass er oder sie keine Liebe möchte oder braucht. Das sollte eigentlich jedem Menschen klar sein.

Zu oft suchen Nichtbehinderte Beispiele von behinderten Menschen die Hochleistungen bringen. Und viele von uns tun das auch, indem wir Karriere machen und ein aktives Sexleben haben. Aber es ist hart. Härter, als Nichtbehinderte wissen können. Allerdings werden wir als Beispiele hochgehalten, als ob man Menschen mit anderen Behinderungen tadeln wollte. „Siehst Du? Schau, was Du erreichen kannst, wenn Du es nur versuchst!“ Und das ist unfair. Jede Person mit einer Behinderung lebt sein oder ihr Leben so, wie es der Körper zulässt, innerhalb und außerhalb des Schlafzimmers.

War Sex leichter für mich, als ich noch nicht behindert war? Außer Frage. Macht es mir immer noch Spaß? Ja klar. Ich bin dankbar dafür. Besonders dann, wenn mein Partner meinen Körper versteht.

Dabei, zumindest, haben Behinderte und Nichtbehinderte womöglich mehr gemeinsam als sie wissen.

Behinderung und Sex schließen sich nicht gegenseitig aus

Ein aktueller Artikel in der englischen Zeitung „the guardian“ befasst sich mit der Thematik Sex und Behinderung aus der Sicht einer jungen Frau mit Cerebralparese, Emily Yates. Sie beschreibt zuerst, wie die Paralympics die Wahrnehmung von Sport und Behinderung zum Positiven verändert haben. Es ist nun nicht mehr allzu ungewöhnlich, herausragende Sportler vor gefüllten Hallen Medaillen gewinnen zu sehen, wobei die Sportler nur wie zufällig Prothesen tragen, im Rollstuhl sitzen, sehbehindert sind und ähnliches.

Was aber wäre, wenn es um Sex und Behinderung geht? Ist da die Bildung und die Wahrnehmung ähnlich?

Inklusive und barrierefreie Sexualerziehung gab es bis vor einiger Zeit nicht. Es ist bekannt, dass Frauen mit Behinderung dreimal so häufig sexuell missbraucht werden wie nichtbehinderte Frauen. Die bestehenden Angebote zur Sexualerziehung sind häufig nicht für Menschen mit Behinderung ausgelegt. Es gibt – wenn Überhaupt – wenige Videos mit Untertitel oder Audiodeskription, die Informationen sind häufig nicht leicht zu lesen oder zu verstehen, und die gezeigten Körper haben niemals offensichtliche Einschränkungen oder Behinderungen, was Menschen mit Behinderung noch mehr ausgrenzt oder in ihrem Körpergefühl beeinträchtigt.

Kindern und Teenagern wird häufig gesagt, sich und andere zu tolerieren. Kinder mit Behinderung werden von vielen Erwachsenen nicht unbedingt als sexuelle Wesen betrachtet und deshalb fallen die üblichen Warnungen und Strategien gar nicht vermittelt werden. Als Mensch mit Behinderung ist man dadurch doppelt verletzlich, wenn man auch physisch nicht leicht aus einer verfänglichen Situation fliehen kann.

Die junge Frau mit Cerebralparese berichtet, dass sie glücklicherweise ihre Sexualität in erfüllender Weise ausleben kann. Der Weg dorthin war allerdings sehr schwierig und sie hatte geradezu Panik vor dem ersten Mal, weil sie sich unter anderem große Gedanken dazu machte, welche Stellungen sie praktizieren konnte und wie das alles bei ihr überhaupt klappen würde. Da es an Informationen dazu mangelte, musste sie sich alleine bzw. mit vertrauten Personen darüber Gedanken machen. Sie empfindet es als schlimm, dass sie soviel Angst vor etwas haben musste, was eigentlich etwas schönes und lustvolles sein sollte.

Einige Menschen denken immer noch, dass Behinderte nicht sexy sein können oder – noch schlimmer – dass Sex mit Behinderten falsch sei. Emily Yates sieht, dass sich die Dinge ändern, und sie sieht sich selbst als einen Teil davon. Sie arbeitet mittlerweile unter anderem als Autorin für Reiseführer und Online Reiseplattformen, oder auch für britische Online-Projekte zum Thema „Liebe und Sexualität“.

Sie plädiert für mehr Sexualerziehung an Schulen, vor allem auch für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Eltern behinderter Kinder können diesbezüglich ebenfalls eine wichtige Rolle spielen und ihre Kinder unterstützen. Menschen mit Behinderung, die in der Öffentlichkeit stehen, können Rollenmodelle sein und die Wahrnehmung in der Bevölkerung hinsichtlich „Sexualität und Behinderung“ verändern.

Obwohl ihre Arbeit in erster Linie mit ihrer Behinderung zu tun hat betont sie, dass sie darüber hinaus eine ganz normale junge Frau ist, mit den gleichen Hobbies, gefärbten Haaren, etc. – sie hofft, dass andere Menschen nicht nur ihren Rollstuhl sehen, sondern die Person darin. Emily Yates hat gelernt, dass sich Sexualität und Behinderung nicht ausschließen, und sie liebt den Weg, der damit verbunden ist.

(Für links zu den angesprochenen Reiseführern, Online-Portalen und Online-Projekten bitte einfach den Original-Artikel hier aufrufen. Alle links sind nur in englischer Sprache verfügbar.)