Heute möchte
einmal etwas von mir und meiner Vergangenheit erzählen. Also fange ich am
besten ganz von vorne an. Ich bin 1975, also direkt in den wilden 70gern,
geboren. Ich habe einen Bruder, der sechs Jahre älter ist als ich und meine
Eltern leben im idyllischen Hunsrück.
Im Alter von
sechs Monaten wurde bei mir Spinale Muskelatrophie diagnostiziert. Das war ein
sehr einschneidendes Erlebnis für meine Eltern, da damals auch noch nicht sehr
viel über diese Krankheit bekannt war und niemand wußte genau was gibt es denn
da für Unterstützung oder frühe Hilfen.
Sie waren dann zu
der Zeit mehr oder weniger auf sich allein gestellt, aber die Omas und auch der
Freundeskreis haben meine Eltern unterstützt, das hat dann ganz gut
funktioniert.
Das erste
Erlebnis an das ich mich wirklich sehr bewusst erinnere ist, als ich mit gerade
einmal sechs Jahren in ein Internat kam. Das war 1981 da gab es noch keine
Betreuung oder gar Inklusion, nicht mal eine Schulassistenz, die mich hätte
begleiten können. Damals war dann die einzige Option mich auf das Internat zu
schicken, da die Sonderschule, zu der gehen konnte, zu weit entfernt war.
Die normale
Schule wäre auch wirklich schwierig für mich gewesen, da ich speziell im
Hochsprung (auch heute noch!) sehr schlecht war. 🙂
Jeder kann sich
vorstellen das es für mich sehr heftig war, als Kind weg von meinen Eltern, der
vertrauten Umgebung und alles was ich zu diesem Zeitpunkt gekannt hatte, gehen
zu müssen. Ich hatte schreckliches Heimweh und fühlte mich anfangs auch
wirklich sehr einsam.
Ich habe mir dann
auch relativ schnell einen guten Freundeskreis aufgebaut, wir waren zum Teil
richtige Kameraden. Einer der mit dem ich mehrere Jahre das Zimmer geteilt habe
ist auch heute noch ein wirklich guter Freund, wir sind wie Brüder und so war
das Gefühl der Einsamkeit auch wirklich schnell verflogen. Das Internat endete
für mich mit dem Abschluss der Hauptschule, da war ich dann Anfang 20.
In meiner
Jugendzeit war Sexualität ein relativ schwieriges Thema gerade auch was meine
eigene Wahrnehmung und mein Selbstbewusstsein angeht.
Ich hatte zu der
Zeit viele platonische Freundinnen, wenn ich da auch mal mehr versucht hatte
und die nicht wollten war ich nicht total depremiert, im Gegenteil ich habe
dann eben bei einer anderen mein Glück versucht! Leider hatte ich immer
Probleme eine körperliche Beziehung aufzubauen, meine erste richtige Beziehung
hatte ich eigentlich ziemlich spät, da war ich ungefähr Mitte 20. Wenn ich
jetzt an diese Zeit zurück denke habe ich es vor meiner ersten Beziehung als
relativ schwierig empfunden eine Partnerin zu finden. Gerade was das Sexuelle
angeht, denn platonische Freundinnen waren nie eine Schwierigkeit für mich. Ich
denke es war für die Frauen, in die ich verliebt war, schwieriger war, da ich
ja in einer Einrichtung gelebt habe und man da nie wirklich Zeit für sich
alleine hatte. Alles wurde im Voraus geplant und wer möchte schon eine
Beziehung nach Zeitplan? Eine Partnerschaft braucht Freiraum und da will man
sich nicht irgendwo rein drängen lassen, das war schon auch ein großer
Störfaktor. Mein Freundeskreis bezog sich auch sehr auf Menschen aus der
Einrichtung, da war kein wirklich echter Kontakt zur Außenwelt. Solange ich nur
bei meinen Eltern oder eben später in der Einrichtung gelebt hab, hatte ich
auch keine Beziehung. Erst mit der persönlichen Assistenz hat sich das alles
zum positiven gewendet, auch was Freizeitgestaltung angeht und auch mehr am
gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
So lernte ich
dann meine erste Freundin kennen. Zuerst haben
wir uns nur E-mails geschrieben, das wurde immer intensiverund
irgendwann waren wir dann in einer Beziehung miteinander. Das klingt jetzt
vielleicht ein bißchen plakativ, man schreibt, trifft sich dann und schwupps
ist man in einer Beziehung, aber genau so war es! Diese Partnerschaft hatte ich
dann etwa 6 Jahre lang. Als wir zusammen gekommen sind war ich 25, bei der
Trennung 31.
Wir hatten eine
traditionelle Beziehung, wir haben auch zusammen gewohnt, also wie bei anderen
Paaren auch. Ich habe mich in dieser Zeit auch weiter entwickelt. Aber als wir
uns dann getrennt hatten, habe ich an mir gezweifelt, mein Selbstbewusstsein
war ziemlich niedrig zu dem Zeitpunkt.
Das Gefühl von
Einsamkeit und dem Grübeln ob ich wohl jemals wieder jemanden finden werde
beschäftigten mich. Ich wollte aber nicht nur da sitzen und jammern sondern
wieder aktiv teilhaben, schließlich war ich Single! So beschloss ich, aktiv zu
werden und Kontakte zu knüpfen, hauptsächlich im Internet über entsprechende
Seiten. Ich hatte dann wirklich mit vielen Leuten Kontakt und fand die Zeit
auch sehr spannend, so viele verschiedene Charaktere kennen zu lernen. Aber
auch in Bezug auf mich, meine Bedürfnisse und Vorlieben, war diese Zeit sehr
lehrreich. Ich war nie ein Chorknabe und hatte mehrere kurze Affairen, manche
davon auch parallel. Das war eine sehr aufregende Zeit in meinem Leben und ich
habe sehr viele Erfahrungen gesammelt.
Zwischendurch hatte
ich eine 2 Jährige Beziehung die doch ziemlich chaotisch war. Meine Freundin
hatte Borderline und eine Bindungsstörung.
Wir hatten eine offene Beziehung, was ja an und für sich kein Problem
ist, aber in der Konstellation mit Borderline war es dann schon ziemlich
heftig. Auch da habe ich sehr viel über mich selbst gelernt, auch wo meine
Grenzen sind, wann es besser ist mich, auch emotional, selbst zu beschützen.
Seit ungefähr 5
Jahren bin ich mit meiner jetztigen Freundin zusammen, das ist eine wieder eher
bodenständige Beziehung. Ich möchte nicht sagen das es eine normale Beziehung
ist, denn normal bin ich nicht 🙂 aber doch wie bei jedem anderen auch, wir
lachen wir streiten, wir haben Sex, in so fern auch traditionell. Man könnte
sagen, der Kreis hat sich geschlossen, und dennoch wäre das nicht ganz richtig,
denn ich bin jetzt eine andere Person als zu Beginn meiner Auseinandersetzung
mit Partnerschaft und Liebe.
Aber was will ich
mit diesem Beitrag überhaupt sagen? Vielleicht, was wichtig ist, um eine
erfüllte Partnerschaft leben zu können.
Dahin wie mein Leben jetzt ist, bin ich vorwiegend durch die persönliche Assistenz gekommen. Nur so kann ich ein Leben führen zu können wie alle anderen auch. Das ist eine fundamentale Voraussetzung für Inklusion. Nur wenn diese Basis eines selbstbestimmten Lebens gelingt, kann auch eine erfüllte Partnerschaft gelebt werden. Und welche kulturellen Zwänge eine erfüllten Partnerschaft bei einem Leben in einer Institution entgegenstehen, habe ich ja schon ausführlich weiter oben erzählt.
Was braucht es
noch? Immer noch viele Menschen ein falsches Bild, da eine Berührung oder eine
Begnegnung mit einem behinderten Menschen oft Ängste außlöst. Gerade weil es
vielen fremd ist mit einem solchen Mensch um zu gehen. Ich denke 90% hatten
niemals Kontakt mit einem Behinderten und meiner Meinung nach sollte jeder
frühmöglichst gerade diesen Kontakt haben um zu wissen, das sind ganz normale
Menschen wie du und ich auch, da ist nichts wo man Angst haben müsste! Leider
wird die Oberflächlichkeit und das Schönheitsideal von Plattformen wie
Instagram noch gepusht. Ich will das gar nicht persé verdammen, es bietet ja
auch Freiheit! Es muss aber eine Balance geben zwischen dieser
Oberflächlichkeit und der Realität, wo es auch eine Vielfalt an Menschen gibt. Schnelle
Befriedigung von Gelüsten ist hifreich aber auf Dauer kein Ersatz für eine
echte Beziehung.
Im Gegenzug hat
mir das Internet auch geholfen, gerade als ich Single war. So konnte ich
einfacher und schneller in Kontakt mit Menschen treten, man hat sich da zwar
oft in einer Nische bewegt, aber da findet man eben wirklich Leute die einen
auch attraktiv finden, also kann das Internet durchaus ein Hilfsmittel sein.
Vielleicht hab
ich in diesem etwas persönlicherem Post ein bisschen von meinen eigenen
Erfahrungen weitergeben können. Am wichtigsten finde ich aber : Mut. Habt
Mut, zu erforschen, eure Bedürfnisse und euer Verlangen kennen zu lernen, euren
eigenen Weg zu gehen und eure eigene Schönheit zu entdecken.