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Filmreview: „Good Bad Things“

Grit und ich haben heute Good Bad Things gesehen, der dieses Wochenende als Streaming-Event auf der Plattform Veeps zu sehen war. Der Film hat mich stark berührt. Regisseur Shane Stanger greift darin die Themen Liebe, Behinderung und Männlichkeit auf und erzählt die Geschichte von Danny, einem Unternehmer mit Muskeldystrophie, der sich den Herausforderungen von Freundschaft, Online-Dating und Selbstakzeptanz stellt. Der Film reduziert Danny nicht auf seine Behinderung und vermeidet das übliche „tragischer Held“-Klischee. Stattdessen zeigt er das vielschichtige Leben eines Mannes mit Höhen und Tiefen, Zweifeln, Erfolgen und Intimität.

Für mich war der Film auf vielen Ebenen nachvollziehbar. Genau wie Danny lebe ich mit einer neuromuskulären Erkrankung und erkenne mich in seinen emotionalen Kämpfen um Verletzlichkeit und die Angst vor Ablehnung wieder. Good Bad Things fängt diese Angst und die Komplexität, eine Behinderung in einer Beziehung zu offenbaren, sehr authentisch ein. Es beschönigt nichts, definiert Danny aber auch nicht nur über seine Behinderung. Seine vorsichtige, aber transformative Beziehung zu Madi, einer Fotografin, erinnerte mich an meine eigene Beziehung zu Grit. Auch wir setzen uns in unseren künstlerischen Projekten mit den Themen Verletzlichkeit und Schönheit auseinander und bewegen uns in ähnlicher Weise im Spannungsfeld zwischen Intimität und Behinderung.

Besonders beeindruckt hat mich, wie der Film das Thema Männlichkeit darstellt. Danny ist kein typischer „harter Kerl“, sondern die Geschichte zeigt seine emotionale Verletzlichkeit als Stärke. Diese neue Sicht auf Männlichkeit ist erfrischend, besonders in Verbindung mit einer Behinderung. Der Film bricht mit traditionellen Vorstellungen davon, was es heißt, ein Mann zu sein, und betont, dass Emotionen zu zeigen und sich auf andere zu verlassen keine Schwäche ist, sondern Teil des Menschseins.

Auch die Beziehung zwischen Danny und seinem besten Freund Jason wirkte auf mich sehr authentisch. Ihre Freundschaft, die auf gegenseitiger Unterstützung und Gleichberechtigung basiert, erinnerte mich daran, wie Grit und ich unsere Partnerschaft, sowohl privat als auch beruflich, gestalten. Der Film vermeidet es, Jason als den „Retter“ darzustellen, was oft ein Fallstrick in solchen Geschichten ist. Stattdessen unterstützen sich beide Figuren auf Augenhöhe, was ich sehr schätze.

Am kraftvollsten fand ich, wie Dannys Beziehung zu Madi zu einem Wendepunkt für ihn wird. Sie hilft ihm, seinen Körper in einem neuen Licht zu sehen – nicht als Hindernis, sondern als etwas, das Liebe und Verbindung verdient. Dieser Prozess, sich durch die Augen eines Menschen, der einen wirklich annimmt, neu zu sehen, ist mir sehr vertraut. Grit und ich haben in unserer Beziehung einen ähnlichen Raum geschaffen, in dem wir uns gegenseitig herausfordern und unterstützen, die Teile von uns zu akzeptieren, die wir vielleicht sonst schwer annehmen könnten.

Der Film spricht auch ein Thema an, das mir besonders wichtig ist: Repräsentation. Es ist selten, einen Protagonisten mit einer Behinderung in einer so vielschichtigen Rolle zu sehen, insbesondere im romantischen Kontext. Dannys Geschichte dreht sich nicht darum, seine Behinderung zu überwinden, sondern darum, voll und ganz mit ihr zu leben – etwas, das auch meine eigene Erfahrung widerspiegelt. Filme wie Good Bad Things und Touch Me Not, mit denen Grit und ich uns künstlerisch auseinandergesetzt haben, stellen die gängigen Narrative über Behinderung infrage. Sie zeigen, dass Menschen mit Behinderungen fähig sind zu lieben, zu begehren und Intimität zu erleben und nehmen dabei ihre eigene Körperlichkeit wieder in Besitz – in einer Welt, die uns oft marginalisiert.

Letztendlich ist Good Bad Things ein Spiegel meiner eigenen Reise: die Akzeptanz meines Körpers, die Neudefinition von Männlichkeit und Intimität nach meinen eigenen Maßstäben. Der Film erinnert daran, dass auch unsere Geschichten, in all ihrer Komplexität, authentisch erzählt werden müssen. Menschen mit Behinderungen verdienen es, glücklich zu sein, und ihre Geschichten verdienen es, gehört zu werden.

Lecture Series: Care, Disability and Art

Veranstaltung zum Thema Behinderung und Kunst mit Gespräch zu „Touch Me Not – Poetics and Politics of the Body“

Ich habe die großartige Gelegenheit, Grit Uhlemann und die Filmemacherin Adina Pintilie zu einer Diskussion über „Touch Me Not: Poetics and Politics of Intimacy“ in einem Vortrag zu begleiten, der von der Forschungsgruppe „Rethinking Art History through Disability“ am Institut für Kunstgeschichte organisiert wird. Universität Zürich und den Master Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK.

Grit und ich spielten eine wichtige Rolle in diesem unglaublichen Projekt, bei dem wir unsere eigene Sexualität offen diskutierten und erforschten und gesellschaftliche Normen und Stereotypen herausforderten. Wir hoffen, dass unsere Verletzlichkeit und Bereitschaft, diese Erfahrungen vor der Kamera zu teilen, dazu beigetragen hat, marginalisierte Körper zu stärken und falsche Vorstellungen von Behinderung und Sexualität zu hinterfragen.

Das Institutskolloquium / Pool FS23: Ringvorlesung: Pflege, Behinderung und Kunst beschäftigt sich mit der Repräsentation des menschlichen Körpers in der Kunst und der Problematik, Behinderung als soziales und kulturelles Konstrukt zu definieren. Diese Veranstaltung ist Teil der Vortragsreihe und bietet die Möglichkeit, über den Körper als Mittel zur Verarbeitung erkannter und unerkannter Geschichte, Traumata und Sehnsüchte nachzudenken und dazu anzuregen, unsere Verbindung zu den Körpern anderer und zu unseren eigenen in den Mittelpunkt zu stellen Zentrum unseres persönlichen und politischen Lebens.

Die Veranstaltung findet am 11. Mai 2023 an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich, Raum Kino Toni ZT 3.G02 statt und wird auch live gestreamt. Adina Pintilie, Grit Uhlemann und ich sind die Hauptredner. Adinas plattformübergreifende Recherche zur Politik und Poetik von Intimität und Körper, einschließlich ihres Spielfilms Touch Me Not, gewann den Goldenen Bären auf der Berlinale 2018 und wurde weit verbreitet bekannt für seine grenzüberschreitende Sprache und Ästhetik.

Als Aktivist für die Rechte behinderter Menschen interessiere ich mich für die Kraft der Kunst, Perspektiven zu verändern und Normen in Frage zu stellen. Das Hinterfragen von Normen im Zusammenhang mit Behinderungen und die Stärkung ausgegrenzter Körperschaften ist ein entscheidender Schritt zur Schaffung einer integrativeren Gesellschaft. Indem wir anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen einzigartige Stärken und Fähigkeiten haben, können wir sie befähigen, ein erfülltes Leben zu führen und einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Ein weiterer Bereich, in dem es wichtig ist, Normen in Frage zu stellen, ist die Auseinandersetzung mit Stereotypen und Missverständnissen in Bezug auf Sexualität und Behinderung. Leider glauben viele Menschen immer noch, dass Menschen mit Behinderungen asexuell sind oder ihnen der Wunsch nach Intimität und sexueller Erfüllung fehlt. Indem wir diese Normen in Frage stellen und uns für die Stärkung marginalisierter Körperschaften einsetzen, können wir eine integrativere und akzeptierendere Gesellschaft schaffen, die die vielfältigen Erfahrungen und Perspektiven aller Individuen wertschätzt.

In „Politics of the Body“ nutzen Grit und ich die Plattform weiterhin, um uns für die Rechte marginalisierter Gemeinschaften einzusetzen. Durch unsere Arbeit als Aktivisten und Künstler haben wir dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der körperlichen Autonomie und die Notwendigkeit einer stärkeren Inklusion und Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen zu lenken.

Nehmen Sie an dieser spannenden Veranstaltung teil, um die Darstellung des menschlichen Körpers über alle Epochen und Kulturen hinweg sowie das grundlegende Medium der Kunstproduktion und -rezeption zu erkunden. Ich glaube, dass die Veranstaltung uns eine Plattform bieten wird, um darüber nachzudenken, wie wichtig es ist, den Körper und seine historisch konstruierte Einheit, insbesondere im Hinblick auf funktionale Vielfalt, innerhalb der kunsthistorischen Forschung neu zu denken.

Erforschung von Intimität und Sexualität: Touch me not

Alles beginnt mit einer Frage: „Gibt es eine stille, bequeme Übereinkunft, nicht darüber zu sprechen?“

„Ja!“ möchte man als Zuschauer schreien, der nicht das erste Mal mit dem Gedanken in Berührung kommt, dass auch nicht-schönheitsideal-konforme Menschen ihre Sexualität ausleben. Im gesellschaftlichen Diskurs ist die Situation wohl leider bekannt. Aber im Individuellen? Was bedeutet Sexualität? Wie kann ich mich darauf einlassen? Und plötzlich birgt die Antwort ein ungeahntes Risiko, denn: Was uns auf der Suche danach begegnet, ist unklar.

Die Berliner Morgenpost schreibt: „Der Sex-Schocker […] verlangt viel vom Zuschauer.“ Und in der faz ist zu lesen: „„Touch Me Not“ […] gehörte zu den Filmen […] deren Ansatz für mich möglicherweise dokumentarisch interessant gewesen wäre, mir im Spielfilmformat aber unangenehm war.“ Der Film hat eine einfache Antwort darauf: „Jede Emotion ist willkommen.“

„Touch me not“, Film der rumänischen Regisseurin Adina Pintilie, gewann auf der diesjährigen Berline den Goldenen Bären. Es geht um die Erforschung von Initimität und Sexualität, einige der Schauspieler sind Menschen mit Behinderung, die übrigen kommen im Laufe des Films damit in Berührung. Das ist ein aufwühlendes Thema – besonders, wenn man bisher eher die eingangs erwähnte bequeme Übereinkunft bevorzugt hat.

Eine wichtige Transformation, die „Touch me not“ zeigt, beginnt in einer Berührungs-Therapie. Zwar wird man als Zuschauer über die genauen Umstände im Unklaren gelassen (Ein Berührungs-Workshop in einer sterilen Umgebung eines beliebigen Krankenhauses/Altersheims/Betonbaus? Wirklich?), aber hier passiert Wichtiges: Tómas‘ (Tómas Lemarquis) Ekel vor der Berührung von Christians (Christian Bayerlein) Gesicht, Großaufnahmen ungewöhnlicher Körper und die Selbstverständlichkeit ungewöhnlicher Beziehungskonstellationen und Sexualpraktiken (es gibt eine beeindruckende, intime Szene zwischen Christian und Grit (Grit Uhlemann) in einem SM-Club). Der Film traut sich all das mit einer unglaublichen Unaufgeregtheit zu zeigen, die ihresgleichen sucht. Und er gibt gleichzeitig die Möglichkeit, alle entstehenden Gefühle zu ergründen, zu verstehen und vielleicht zu transformieren. Nur vielleicht, denn „Touch me not“ bereitet lediglich die Basis, ohne eine explizite Forderung nach Toleranz zu formulieren.

Ich verlasse das Kino. Die prophezeite unangenehme Berührtheit oder Überforderung bleibt aus. Was ich gesehen habe, ist das Leben, eine Umgebung, in der jeder er selbst sein darf, die Schönheit von Sexualität und der eigenen inneren Reise. Und zum Schluss zeigt die Kamera auf den Zuschauer. „Es gibt nichts Sonderbares, wenn es um Sexualität geht.“ Dieser Satz, beinahe beiläufig erwähnt, ist doch ein guter Ausgangspunkt für diesen Augenblick, in dem nichts mehr versteckt ist.


Kinostart von Touch me not ist am 1.11.2018. Der Film ist in vielen deutschen Städten zu sehen.

In eigener Sache – Mitautoren gesucht

Leider habe ich Kissability seit einiger Zeit inhaltlich ziemlich vernachlässigt. Und das obwohl momentan eigentlich viel los ist: ein Goldener Bär für Touch Me Not, eine weitere Aufführung der Army of Love in Polen, ein anstehender Bericht über unsere Beziehung im SWR und viele interessante Reportagen in der Presse und in den Medien. Aber: ich habe gerade faktisch keine Zeit, darüber zu schreiben.

Deswegen hier ein kleiner Aufruf: wer hat Lust, bei uns Mitautor zu sein – gesucht werden Menschen, die gut schreiben können und sich für das Thema Sexualität und Behinderung interessieren.

Politischer Wirbel…

Es war ja sehr ruhig hier in den letzten Wochen. Aber passiert ist vieles. Behinderung und Sexualität ist immer noch ein großes Tabu und dafür, dass ich darüber offen spreche, gibt es jetzt politische Konsequenzen und mein Amt als Behindertenbeauftragter der Stadt Koblenz steht auf dem Spiel. Ich werde mich aber nicht zurückhalten, denn dafür ist das Thema viel zu wichtig und ich weiß von vielen Menschen, wie wertvoll dieser Blog ist und wie viel er Mut macht.

Über die Geschehnisse selbst möchte ich gar nicht viele eigene Worte verlieren, die Presse hat ja ausgiebig berichtet. Stattdessen möchte ich hier die wichtigsten Artikel zum Thema verlinken.

Die Berichterstattung ist meist objektiv und vernünftig mit dem Thema umgegangen, vor allen Dingen der lange Artikel im Karthäuser war meines Erachtens erstklassig recherchiert. Witzig finde ich ja auch, dass die Bild hier von „Geständnissen“ spricht – meines Wissens nach ist ein Geständnis aber nur bei einer Straftat notwendig, oder im übertragenen Sinne bei Sachverhalten, für die man sich schämt oder schämen müsste. Aber für ein normales Sexualleben schäme ich mich doch nicht. 🙂

Sex und Behinderung?

Das Thema Sexualität und Behinderung ist vielfältig, wird aber oftmals tabuisiert. Es gibt Mythen, Irrglaube und Unwissen. Diese Seite will aufklären und nähert sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven: Partnerschaft und Liebe, Behinderung als Fetisch und sexuelle Dienstleistungen für behinderte Menschen sind hiervon wichtige Facetten.