Keine Angst vor Berührung

Sie sitzt mir gegenüber. Ihr Blick fällt auf den Rollstuhl, nicht auf mich. Das dauert ein paar Sekunden. Dann sieht sie mir in die Augen. Es ist dieser Moment, in dem man spürt, ob etwas möglich ist.

Viele Menschen schaffen diesen Moment nicht. Sie schauen auf die Räder, die Metallstreben, auf das, was sie stört. Vielleicht aus Neugier. Vielleicht aus Angst. Sie wissen nicht, wohin mit ihren Händen, ihren Fragen, ihrem Mitleid.

Sie denken, ein Körper wie meiner sei zerbrechlich. Oder unbrauchbar. Sie denken, Berührung sei schwierig, Sex eine komplizierte Mechanik. Sie liegen falsch.

Ich habe gelernt, meinen Körper zu lesen wie eine Landkarte. Ich spüre jede Berührung, jeden Hauch, jede Bewegung. Mein Körper ist lebendig, empfindsam, voller feiner Reaktionen. Die Haut, die Wärme, der Atem – alles ist da. Und manchmal scheint es, als wäre jede Berührung noch ein wenig intensiver, weil ich sie so bewusst wahrnehme.

Wenn man mit mir schläft, bewege ich mich vielleicht weniger, doch in mir geschieht vieles – fein, spürbar, wirkungsvoll. Die Stille dehnt sich, der Raum verdichtet sich, die Zeit hält für einen Atemzug an. Dann bleibt nichts als Haut auf Haut, Atem auf Atem.

Ich weiß, dass viele Angst davor haben. Vor der Verantwortung. Vor dem Ungewohnten. Aber was bedeutet das schon? Jeder Mensch, den man liebt, verlangt Mut. Auch ohne Behinderung.

Vielleicht ist es das, was mich am meisten irritiert: dass Menschen glauben, sie müssten mich anders behandeln. Dabei ist Liebe doch immer dasselbe Wagnis. Es gibt kein „normal“ und „besonders“. Es gibt nur Nähe oder keine.

Ich erinnere mich an eine Frau, die einmal sagte: „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“
Ich fragte: „Was meinst du?“
Sie sagte: „Dich anfassen, ohne Angst.“
Ich lächelte. „Dann fang einfach an.“

Sie tat es.
Und nichts war kompliziert.